2. Exkursion an das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe

Wie im Vorjahr machten sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des von Karsten Schäfer M.A. geleiteten M 2.3-Seminars „Grundgesetz und Grundrechte: Entstehung, Bedeutung, Herausforderungen“ auch Ende Juni 2024 auf den Weg zum Bundesverfassungsgericht nach Karlsruhe. Nach der umfangreichen und für alle Beteiligten gewinnbringenden Führung durch das Innere des Gerichts mit anschließender Frage- und Diskussionsrunde, waren sowohl die Studierenden als auch der Dozent mit der rundum gelungenen Exkursion sehr zufrieden.

Exkursion an das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe

Am 30. Juni 2023 machten sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des M 2.3-Seminars „Grundgesetz und Grundrechte: Entstehung, Bedeutung, Herausforderungen“ unter der Leitung ihres Dozenten, Karsten Schäfer M.A., auf den Weg nach Karlsruhe, um im Rahmen einer Führung das Bundesverfassungsgericht von innen kennenzulernen. Diese Gelegenheit ergibt sich nicht alle Tage, da das höchste deutsche Gericht normalerweise nicht für den Publikumsverkehr geöffnet und nur im Rahmen längerfristig geplanter Gruppenführungen zugänglich ist. Mit großem Interesse folgten die Studierenden daher der sehr informativen und vielseitig gestalteten Führung des Leiters der Justizverwaltung am Bundesverfassungsgericht, Ministerialrat Batzke, durch das Innenleben des Gerichts. Höhepunkt war die Möglichkeit zur ausgiebigen Fragerunde im eindrucksvollen Senatssaal (siehe Bild), in dem die Richterinnen und Richter des Bundesverfassungsgerichts normalerweise ihre wichtigsten Urteile verkünden. Im Anschluss an die Exkursion waren sich Studierende und Dozent einig, dass die gewonnenen Einblicke in das Bundesverfassungsgericht die im Rahmen des Seminars erlernten Inhalte hervorragend ergänzen.

Vortrag von Professor Dr. Karl-Rudolf Korte in Landau voller Erfolg

„Guten Tag, liebe Fans der Bundespräsidenten“, begrüßte Professor Dr. Karl-Rudolf Korte bestens gelaunt das gespannt wartende Publikum im Audimax auf dem Campus Landau. Der renommierte Politikwissenschaftler (Universität Duisburg-Essen/ NRW School of Governance) sprach am 3. Mai 2022 auf Einladung von Professorin Dr. Manuela Glaab, Abteilung Politikwissenschaft der Universität Koblenz-Landau, zum Thema „Gewissheitsschwund: Die Provokation der Freiheit und das Amt des Bundespräsidenten“. Rund 90 Interessierte, eine gute Mischung aus Studierenden, Universitätsmitarbeiter*innen  und interessierten Bürgerinnen und Bürgern, folgten aufmerksam dem Vortrag des auch aus den Medien bekannten Gastreferenten.

 

Korte legte den Fokus seiner Ausführungen zunächst auf die besondere außenpolitische Rolle des Bundespräsidenten. Mit Blick auf die komplexen Netzwerke der zwischenstaatlichen Diplomatie und die vielen Krisenherde auf der Welt sagte er: „Der Bundespräsident ist immer in der Lage, ein internationaler Türöffner zu sein.“ Beispielhaft führte er diese These anhand der proaktiven Rolle Joachim Gaucks bei der Münchener Sicherheitskonferenz im Jahr 2014 sowie der viel beachteten Reise des damaligen Bundespräsidenten Richard von Weizäcker im Jahr 1987 nach Moskau aus. Generell legte Korte während seines gesamten Vortrags großen Wert darauf, seine Ausführungen mit Beispielen aus der praktischen Politik zu untermauern. Dies wurde auch sichtbar, als er die Rolle des Bundespräsidenten gegenüber jener der Bundeskanzlerin bzw. des Bundeskanzlers abgrenzte: „Denken Sie nur an das ‚Paar‘ Joachim Gauck und Angela Merkel: Hier ist es doch interessant, wie Gauck mit seiner Emotionalität im Vergleich zur für ihre Ruhe und Rationalität bekannten Angela Merkel wahrgenommen wurde“, sagte Korte direkt an das Publikum gewandt. Dagegen seien der amtierende Bundespräsident, Frank-Walter Steinmeier, sowie der amtierende Bundeskanzler, Olaf Scholz, „doch viel ähnlichere Typen“, führte er aus.  

 

Unabhängig von Personen – mit Blick auf die Ausfüllung des Amtes formulierte Korte einen klaren Anspruch: „Ich erwarte persönlich, dass jeder Inhaber dieses Amt aktiv nutzt und etwas daraus macht.“ Wie das in der Praxis aussehen könnte, erklärte er im Anschluss anhand von vier konkreten Möglichkeiten: Demnach könne der Bundespräsident erstens verstärkt als „Meinungsbildner“ auftreten. Gerade in der aktuellen Transformationsphase vieler Lebensbereiche sei die Frage besonders zentral, wie möglichst alle BürgerInnen in den gesellschaftlichen Diskurs eingebunden werden könnten. Die zweite Kernaufgabe skizzierte Korte unter dem Schlagwort des „Versöhnungsstifters“. Insbesondere mit Blick auf die mannigfaltigen Auswirkungen der Corona-Pandemie sagte er: „Es kann auch eine wichtige Aufgabe für den Bundespräsidenten sein, das Gemeinwesen wieder als Ganzes zusammenzuführen.“ Die dritte Möglichkeit zum Amtsgebrauch sieht Korte als „Zivilitätswächter“ – der Bundespräsident sei qua seines Amtes in einer Schlüsselrolle, wenn es darum geht, die „demokratische Zivilität“ in der Gesellschaft zu erhalten und zu fördern. Er könne möglicherweise verstärkt als eine Art „Anti-Echokammer“ wirken, erläuterte er.

Die vierte Rolle sieht der Politikwissenschaftler mit Blick auf die großen künftigen gesellschaftlichen Aufgaben als „Zukunftsdenker und Visionär“. Hier laute die entscheidende Frage: „Welche Möglichkeiten haben wir, jederzeit maximal handlungsfähig zu sein, wenn irgendetwas Unvorhergesehenes passiert?“, so Korte.

 

In der anschließenden Diskussion unter der Leitung von Professorin Manuela Glaab zeigte sich, wie vielfältig Kortes Ausführungen durch das Publikum aufgenommen und kommentiert wurden. Es wurde deutlich, dass die Frage nach der zentralen Rolle des Bundespräsidenten – insbesondere angesichts der aktuellen und zukünftigen gesamtgesellschaftlichen Herausforderungen – auch von den Zuhörerinnen und Zuhörern als Schlüsselfrage betrachtet wurde. Zum Abschluss richtete sich der Referent mit einem Appell direkt an sein Publikum: „Fordern Sie etwas von diesem Amt und der Person, die dieses Amt bekleidet“, ermutigte er seine Zuhörerinnen und Zuhörer.

 

Bericht und Foto: Karsten Schäfer


Datum der Meldung 10.05.2022 00:00

Wie entsteht eigentlich eine politische Rede?

Veröffentlicht am 11. Mai 2020

 

Politische Reden sind alltäglich in einer Demokratie. Kaum bekannt ist aber, wie sie eigentlich entstehen. Im Rahmen der Spring School “Verhandeln, Vermitteln und Kommunizieren”, die im Mainzer Landtag stattfand, erhielten die Teilnehmenden einen Einblick in den Weg vom leeren Blatt zum fertigen Redemanuskript. Der Workshop “Reden schreiben” brachte Master-Studierenden der Universität in Landau aus den Fächern Politikwissenschaft sowie Sozial- und Kommunikationswissenschaften die Praxis des Redenschreibers näher. Geleitet hat ihn Ralph Schrader, Referatsleiter in der Landtagsverwaltung und Redenschreiber beim Landtagspräsidenten des Landes Rheinland-Pfalz. Mit dem Uniblog hat er über seinen Beruf gesprochen.

 

Wie wird man Redenschreiber?

Ich habe Soziologie an der Goethe-Universität Frankfurt studiert und nach meinem Abschluss und verschiedenen beruflichen Stationen meine aktuelle Tätigkeit als Referent im Landtag von Rheinland-Pfalz aufgenommen. Redenschreiber beim Landtagspräsidenten wird man gewöhnlich durch einen gewissen Zufall. Bei uns auf der Landesebene verhält es sich so, dass es zumeist keine ausgewiesenen Referate für Redenschreiber gibt. Auch dem Landtagspräsidenten haben früher verschiedene Fachreferenten zugearbeitet. Um eine größere stilistische Einheitlichkeit seiner Reden zu gewährleisten, ist vor einiger Zeit entschieden worden, dass jemand schwerpunktmäßig die Reden des Landtagspräsidenten schreiben sollte. Und da ich bereits zuvor Reden für ihn geschrieben hatte, habe ich diese Aufgabe vor knapp drei Jahren übernommen.

Wann haben Sie begonnen, sich für das Schreiben politischer Reden zu begeistern?

Ich glaube, meine Begeisterung für das Redenschreiben ist zunächst vor allem daraus entstanden, dass ich selbst gerne rede. Außerdem habe ich mich schon immer dafür interessiert, wie man freies und intuitives Sprechen so in eine schriftliche Form bringen kann, dass es einem anderen hilft, bestimmte Gedanken zu entwickeln und vorzutragen.

Welche Fähigkeiten sollte ein Redenschreiber mitbringen?

Die zentrale Aufgabe eines Redenschreibers ist es, eine verlässliche Unterstützung für denjenigen zu sein, der als Politiker vor das Publikum treten muss. Dabei sollte man eine große Frustrationstoleranz besitzen. Denn natürlich erlebt man immer wieder, dass Reden, die man in vielen Stunden aufwändig vorbereitet hat, nicht wie vorgesehen gehalten werden können – beispielsweise weil sich die politische Situation kurzfristig wandelt oder weil eine Veranstaltung, bei der eine Rede gehalten werden sollte, sich in ihren Rahmenbedingungen oder in ihrem Ablauf verändert.

Wie sieht Ihr Schreibprozess aus?

Üblicherweise läd mich der Landtagspräsident zu regelmäßigen gemeinsamen Gesprächen ein und wir gehen dann seinen Terminkalender für die folgenden Wochen durch. Bei diesen Treffen werde ich über Ereignisse informiert, bei denen eine Vorbereitung meinerseits notwendig ist, und der Präsident teilt mir mit, welche Botschaften er bei der jeweiligen Veranstaltung setzen möchte. Sehr wichtig ist für mich auch, von ihm zu erfahren, ob es persönliche Kontakte unter den Zuhörenden gibt oder ihm das Publikum als solches bekannt ist. Dann ist es hilfreich, wenn er sich zum Beispiel an Anekdoten erinnert, die erzählt werden können. Bei kleineren Redeanlässen reichen diese Informationen aus, damit ich stichwortartig oder ausformuliert einen Redetext herstellen kann. Bei großen und besonders wichtigen Reden dauert mein Arbeitsprozess in der Regel deutlich länger. In einem solchen Fall stelle ich bereits einige Überlegungen für die zu schreibende Rede an, bevor ich diese gemeinsam mit dem Landtagspräsidenten diskutiere und einen ersten Redeentwurf anfertige. Nach mehreren Arbeitsschritten und Rücksprachen entsteht schließlich ein Text, der für den Redner und den Anlass angemessen ist.

Welche Arten von politischen Reden schreiben Sie?

Als Referent in der Landtagsverwaltung schreibe ich für den Präsidenten in seiner Funktion als Landtagspräsident, in der er fraktionsübergreifend auftreten muss. Das heißt, ich schreibe zum Beispiel Reden zur Einführung in parlamentarische Abende, zu unterschiedlichen protokollarischen Anlässen im Land, zu größeren Veranstaltungen im rheinland-pfälzischen Landtag oder zu Festakten – wie etwa zum 18. Mai, dem rheinland-pfälzischen Verfassungstag. Gerade bei Festveranstaltungen sind zumeist größere Reden zu schreiben. Was mir ehrlich gesagt etwas fehlt, ist die Möglichkeit, so zu schreiben, wie man es sich in der Politik klassisch vorstellt, nämlich auch einmal kämpferisch oder polemisch. Das passt jedoch nicht zum Amt des Landtagspräsidenten.

Welche zentralen Bestandteile sind wichtig, damit politische Reden beim Publikum erfolgreich sind?

Einerseits ist entscheidend, dass in politischen Reden eine Beziehung zum Publikum hergestellt wird. Es muss deutlich werden, dass der Sprecher die Situation der Menschen kennt, mit denen er spricht, und dass er sich für ihre Belange interessiert. Dafür kann es manchmal sinnvoll sein, dass der Redner handelt, wie es einem Redenschreiber weh tut, indem er sich bei Bedarf vom Manuskript löst und auf spezifische Situationen eingeht, um frei zu den angeredeten Personen zu sprechen. Andererseits ist es meines Erachtens wirklich wichtig, dass sich die Zuhörenden ernst genommen fühlen. Reden, die sehr leutselig und umgangssprachlich gehalten werden, haben sicherlich ihren Sinn und Zweck. Aber wenn eine Rede sich merklich auf diese Eigenschaften beschränkt, besteht die Gefahr, dass die Zuhörenden berechtigte Kritik anbringen und fordern, der Politiker habe ihnen in seiner Rede auch etwas zu liefern. Er wird als Experte auf seinem Feld wahrgenommen; darum herrscht die Erwartung vor, dass er als solcher auch auftritt. Das Publikum ernst zu nehmen, bedeutet die Zuhörenden nicht zu unterfordern und sie gleichermaßen – dies wäre ebenfalls fatal – nicht zu überfordern. Man muss sich also adäquat am Publikum und dessen Interessen orientieren.

Was war Ihr bislang eindrücklichstes berufliches Erlebnis?

Generell erfreut es mich natürlich immer, wenn ich einem Redner tatsächlich helfen kann, seine Botschaft an die Zuhörenden herüberzubringen. Für mich besonders bewegend war es, als ich in eine Vorbereitung zum Gedenktag des Holocausts einbezogen war. Wir haben in Rheinland-Pfalz vor wenigen Jahren das Leiden der Sinti und Roma in den Mittelpunkt des Gedenkens gestellt. In diesem Zusammenhang zu erleben, dass die Worte, die der damalige Landtagspräsident Joachim Mertes zu dieser auch heute noch diskriminierten Minderheit gesprochen hat, den Menschen wichtig waren, war für mich sehr berührend. Dass durch die Gedenkarbeit Menschen ergriffen waren, die selbst Verfolgung erlebt hatten, und anerkannt wurde, dass ihr Leiden in Deutschland zählt und wahrgenommen wird, war eine der Erfahrungen, die mir als Redenschreiber bisher am meisten in Erinnerung geblieben sind.

Interview: Timo Schummers

 

Die Spring School “Verhandeln, Vermitteln und Kommunizieren” fand im Februar 2020 im Landtag Rheinland-Pfalz statt. Organisiert wurde das Format von der rheinland-pfälzischen Landtagsverwaltung in Kooperation mit der politikwissenschaftlichen Arbeitseinheit “Politisches System der Bundesrepublik Deutschland” der Universität Koblenz-Landau, die von Professorin Dr. Manuela Glaab geleitet wird.

 

Kategorie: Gewusst wie

Schlagwort: Campus Landau, Landtag, Landtagspräsident, Mainz, Master Sozial- und Kommunikationswissenschaft, Politik, Politikwissenschaft Landau, Präsident, Rede, Redenschreiben, Rheinland-Pfalz, Schreiben, slideshow, Spring School, Workshop

Vortrag zum Thema "Neue Methoden und erste Ergebnisse der Lesermarktforschung" mit Michael Garthe (Rheinpfalz)

Michael Garthe diskutiert mit Studierenden über das Projekt „LeseWert“ der Rheinpfalz

Wie lesen Leser heutzutage Zeitung? Wie reagieren Journalisten und Blattmacher auf das Leseverhalten? Über solche und ähnliche Fragen sprach Michael Garthe, langjähriger Chefredakteur der in der Region marktbeherrschenden Tageszeitung DIE RHEINPFALZ, am 20. Mai 2019 in Landau. Gelegenheit hierzu bot sein Besuch im Forschungskolloquium von Prof. Dr. Manuela Glaab, Arbeitsbereich „Politisches System der Bundesrepublik Deutschland“ in der Abteilung Politikwissenschaft der Universität Koblenz-Landau. Im Mittelpunkt des Gastvortrags stand die Lesemarktstudie – „LeseWert“ – der Rheinpfalz, die derzeit in Zusammenarbeit mit der Dresdner Agentur „Die Mehrwertmacher“ durchgeführt wird. Ziel ist es, den „Lesewert“ der in der Tageszeitung publizierten Artikel zu ermitteln. Seit Februar 2019 werden hierfür insgesamt vier Monate lang die Lokalausgaben Ludwigshafen, Bad Dürkheim, Pirmasens und Kirchheimbolanden mit den Ressorts Politik, Wirtschaft, Kultur und Sport sowie DIE RHEINPFALZ am SONNTAG untersucht.

Doch wie sieht das methodische Vorgehen genauer aus? Die 455 beteiligten Leserinnen und Leser erhalten einen elektronischen Scanstift, mit dem sie markieren, was sie in der Tageszeitung gesehen und gelesen haben. Die Daten werden via Bluetooth nach Dresden übermittelt, wo die Marktforscher die Daten täglich auswerten. So erfährt die Redaktion, ob ein Text wahrgenommen wurde (Blickwert) und ob ihn die Leser bis zum Schluss gelesen haben oder schon früher ausgestiegen sind (Durchlesewert). Aus diesen Daten wird der sogenannte „Lesewert“ errechnet.

Chefredakteur Garthe präsentierte erste Ergebnisse der Studie und berichtete von den hieraus gewonnenen Erkenntnissen sowie bereits vorgenommenen Änderungen im Blatt. Im Anschluss an den – überaus anschaulichen und praxisnahen – Vortrag entstand eine lebhafte Diskussion über die Rolle von Printmedien in der nahen und ferneren Zukunft. Dabei zeigte sich Garthe optimistisch, dass diese weiterhin einen wichtigen Platz im Journalismus einnehmen werden.

 

Datum der Meldung 25.05.2019 00:00

Exkursion nach Straßburg am 16./17.01.2018

Am 16. und 17. Januar 2018 besuchten über 100 Studierende aus vier Seminaren zum Thema „Das politische System der EU und die Europäisierung der Mitgliedstaaten“ den Europarat und das Europäische Parlament in Straßburg. Die Exkursion war ein integraler Bestandteil der von Julia Renner M.A. und Andrea Zeller M.A. angebotenen Seminare: Die Studierenden sollten so die Gelegenheit bekommen, gemeinsam ihr Wissen an einem Anschauungsbeispiel zu vertiefen.

In den Seminaren standen die Institutionen der EU, ihr Zusammenspiel im europäischen Institutionengefüge sowie die demokratische Legitimität des Regierens in der EU beziehungsweise der Brexit auf der Tagesordnung. Die Exkursion zum Europäischen Parlament und zum Europarat nach Straßburg und deren Nachbesprechung bildete den Abschluss der Veranstaltungen.

Nach der Anfahrt mit zwei gecharterten Bussen stand am ersten Tag der Besuch des Europarates auf dem Programm. Zunächst führte eine Mitarbeiterin des Besucherdienstes die Gruppe durch das Gebäude und zeigte den Studierenden den Plenarsaal. Dabei informierte sie über die Herkunft und Zusammensetzung der Abgeordneten der Parlamentarischen Versammlung sowie zu den historischen Hintergründen des Europarates. Anschließend begaben sich alle in einen kleineren Sitzungssaal. Dort erläuterte ein weiterer Mitarbeiter den Unterschied zwischen dem Europarat und den Institutionen der Europäischen Union. Zudem erklärte er Details zur Verabschiedung und Ratifizierung von Konventionen des Europarates und gab Einblicke in die derzeit diskutierten Themen. Im Anschluss erfolgte die Rückfahrt nach Landau.

Der zweite Tag begann abermals mit einer Busfahrt nach Straßburg. Am Europäischen Parlament mussten zunächst die Sicherheitskontrollen passiert werden, bevor der beeindruckende Innenhof des Parlamentsgebäudes besichtigt werden konnte. Ein Referent des Besucherdienstes führte die Gruppe nach der Begrüßung durch das Gebäude und erläuterte in einem Besucherraum die Aufgaben des Parlamentes. Dabei erfuhren die Studierenden, wo überall die EU-Gesetzgebung das Leben der EU-Bürger beeinflusst: Von der Bananenkrümmung über die EU-Bio-Kennzeichnung bis hin zur EU-Roaming-Verordnung und dem Verbot des Geoblocking – die Rechtsetzung der EU wirkt sich unmittelbar auf den Alltag der EU-Bürgerinnen und ~Bürger aus. Damit sich alle EU-Mitglieder an die vorgegebenen Regeln halten, können bei Nicht-Umsetzung Sanktionen verhängt werden. Der Referent erläuterte zudem seine Sicht auf die monatliche „Wanderung“ von Brüssel zur Straßburger Sitzungswoche und führte die Gruppe anschließend zum Plenarsaal, wo gerade eine lebhafte Debatte über den Einfluss russischer Propaganda auf die einzelnen EU-Mitgliedstaaten in Gang war. Auch den Beginn der Folgedebatte zur Beschäftigungsinitiative für junge Menschen konnten die Studierenden noch miterleben. Nach einer sehr kurzweiligen Stunde auf der Besucherterrasse des Plenarsaals verließ die Gruppe schließlich das Parlamentsgebäude und machte sich auf den Rückweg nach Landau.


Datum der Meldung 26.02.2018 00:00

Das Fallprinzip als Lehrmethode: Workshop am Campus Landau zu Case Teaching als Methode einer kompetenzorientierten politikwissenschaftlichen Lehre

Wie die universitäre Lehre jenseits von Frontalunterricht, Referaten und herkömmlichen Lektüreseminaren interaktiver und aktivierender, aber auch kompetenzorientierter und abwechslungsreicher gestaltet werden kann, wird vielerorts diskutiert. Im Fach Politikwissenschaft hat die Debatte einen neuen Impuls durch ein didaktisches Konzept erhalten, das im anglo-amerikanischen Raum seit längerem etabliert ist: das sogenannte „Case Teaching“.

Im Rahmen eines ganztägigen Expertenworkshops „Fälle analysieren und verstehen. Case Teaching als Methode einer kompetenzorientierten politikwissenschaftlichen Lehre" bot sich am 13. September 2016 am Campus Landau die Gelegenheit, die Einsatzmöglichkeiten, Spielarten und Perspektiven des Case Teaching für die politikwissenschaftliche Lehre genauer zu diskutieren. Eingeladen dazu hatte Prof. Dr. Manuela Glaab (Universität Koblenz-Landau), unter deren Leitung seit Oktober 2015 ein Lehrprojekt „Fallbasierte kompetenzorientierte Lehre: Von der Falldarstellung zum Case Teaching“ im Bereich der politischen Systemlehre durchgeführt und mit dem Workshop abgeschlossen wurde.

Zur Begrüßung der bundesweit angereisten KollegInnen sowie der studentischen TeilnehmerInnen skizzierte Glaab zunächst die Grundidee der fallbasierten akademischen Lehre. Die inzwischen in vielen Curricula und modularisierten Studiengängen geforderte Kompetenzorientierung verlange nach neuen Wegen des Wissenserwerbs und genau hierfür stelle die Methode des Case Teaching wichtige Potenziale bereit. Schließlich ziele das Fallprinzip auf eine interaktive, anwendungsorientierte Lehre, die die Verknüpfungs- sowie Problemlösungskompetenz der Studierenden stärken soll. Wie dies in unterschiedlichen Studiengängen und mit Studierenden unterschiedlicher Fachsemester gelingen kann, welche Impulse die Fallmethode insgesamt zur Weiterentwicklung einer kompetenzorientierte politikwissenschaftliche Lehre zu liefern vermag, darauf gab der Workshop Antworten.

In einem ersten Vortrag zeigte Prof. Dr. Andreas Blätte (Universität Duisburg-Essen) auf, wie mit Fällen in der Politikwissenschaft kompetenz- und problemorientiert gelehrt wird. Zunächst hob er noch einmal hervor, dass sich Falldarstellungen charakteristischerweise dadurch auszeichnen, dass sie einen „realen politischen Sachverhalt“ darstellen, den eine „Dilemmasituation“ kennzeichnet. Idealerweise beschreibe solch ein Text eine komplexe politische Herausforderung, die dann zum Gegenstand einer Falldiskussion (Case Teaching) im Kurs wird. Fälle sollten den Studierenden den „Geist der Tragödie“ vermitteln, so Blätte. Die Falldiskussion selbst erfolge in der Regel entlang einiger weniger Fragen: Worum geht es? Welche Handlungsoptionen bestehen? Wie sind die einzelnen Handlungsoptionen und Entscheidungsalternativen zu bewerten? Welche Alternative erscheint zweckgemäß? Wie kam die Entscheidung zustande? Blätte betonte, dass eine erfolgreiche Falldiskussionen voraussetze, dass die Dozierenden zuvor ein partizipatives und interaktives Setting in ihrer Lehrveranstaltung etabliert und gemeinsam mit den Studierenden habitualisiert haben.

Die Bedeutung von Interaktion und Partizipation für eine kompetenzorientierte Lehre unterstrich auch Dr. Ina Mittelstädt (Hochschuldidaktische Arbeitsstelle, Universität Koblenz-Landau). Mittelstädt nähert sich der Frage nach der Kompetenzorientierung in der akademischen Lehre aus hochschuldidaktischer Sicht. Über die Unterscheidung zwischen Oberflächen- und Tiefenlernen ordnete sie das Fallprinzip zunächst als geeignete Lehrmethode ein, die fernab von Faktenwissen dazu beitrage, dass in der Hochschullehre wissenschaftliche und berufsqualifizierende Schlüsselkompetenzen vermittelt würden. In einer Gruppenarbeit mit den WorkshopteilnehmerInnen problematisierte Mittelstädt anschließend, welche Faktoren einem Tiefenlernen entgegenstehen können und welche Lösungsansätze sich anbieten, um die auf Seiten der Studierenden bestehenden Spannungsverhältnisse von Motivation und Frustration sowie von Autonomie und Sicherheit auflösen zu können.

Fortgesetzt wurde der Gedankenaustausch unter den TeilnehmerInnen im Rahmen einer Ideenbörse in Kleingruppen. Hierbei wurde praxisorientiert der Frage nachgegangen, wie sich Fälle in die Lehre integrieren lassen. Konsens bestand darüber, dass insbesondere der Theorie-Empirie-Transfer eine große Herausforderung beim Case Teaching darstellt. Die Ideensammlung hierzu reichte von intensivem Co-Teaching der Seminarleitung mit den Studierenden über die Ausarbeitung von konkreten Fragekatalogen und Übungsaufgaben bis hin zur Kopplung von Grundlagenvorlesungen und Case Teaching-Kursen. Die Teilnehmer stimmten darin überein, dass ein erfolgreiches Case Teaching letztlich ein hohes Maß an Flexibilität, Geduld und Zeit erfordert.

Dass die Ressource Zeit nicht nur für das Case Teaching selbst eine gewichtige Rolle spielt, sondern auch bei der schriftlichen Ausarbeitung von Cases zu berücksichtigen ist, zeigten Prof. Dr. Manuela Glaab und Daniel Reichard M.A. (beide Universität Koblenz-Landau) in ihrem Vortrag zur Kompetenzorientierung durch Fallproduktion. Ausgehend von ihren Praxiserfahrungen, die sie im Wintersemester 2015/16 gemeinsam mit einem Tutorenteam und Studierenden in Form von studiengangsübergreifenden Schreibwerkstätten am Campus Landau umgesetzt hatten, erörterten Glaab und Reichard die Potenziale und Fallstricke, die solch ein außercurriculares Veranstaltungsangebot in sich birgt. Positiv wurde hervorgehoben, dass das Format der Schreibwerkstatt es den Studierenden ermöglichte, Schreiben als Prozess zu erleben, der die intrinsische Motivation steigert und damit ein Tiefenlernen erlaubt. Die größte Herausforderung bei der Durchführung von Schreibwerkstätten zur Case-Erstellung erkannten Glaab und Reichard zum einen in der Sicherstellung der Textqualität, zum anderen im Ressourcenaufwand, der vor allem bei der Schlussredaktion der Falldarstellungen nicht zu unterschätzen sei. Letztlich, darin waren sich die TeilnehmerInnen einig, bedarf es für die Fallproduktion nicht unerheblicher finanzieller und personeller Ressourcen, um diese adäquat realisieren zu können.

Wie mit Fällen in modularisierten Studiengänge gelehrt werden kann, darauf richtete Karina Hohl M.A. (Universität Duisburg-Essen) den Blick. Entlang verschiedener Beispiel aus ihrer Lehrpraxis auf Bachelor- und Masterniveau illustrierte Hohl die Möglichkeiten des Case Teaching für unterschiedliche Studiengänge und unterschiedliche Fachsemester. Entlang der Lernzieltaxonomie von Bloom (Erinnern, Verstehen, Anwenden, Analysieren, Beurteilen, Erschaffen) sei es möglich, sich am Kompetenzbedarf der jeweiligen Fachsemester oder Studiengänge zu orientieren. Außerdem gelte es, den zielgruppenspezifischen Materialbedarf zu berücksichtigen. Vor allem aber komme es darauf an, den gesteigerten Moderationsbedarfs durch die Dozierenden zu beachten, da das Case Teaching von gezielten Moderationsimpulsen in einem interaktiven Seminarkontext lebe. Letztlich ließen sich Falldiskussionen auf die Formel des Harvard Business School Professors C. Roland Christensen verdichten, so schloss Hohl pointiert in ihrem Fazit: „Discussion-teaching is the art of managing spontaneity“.

Zum Abschluss des Workshops fasste die Veranstalterin Glaab die Vorträge und Diskussionen zusammen, die allesamt das Potenzial des Case Teaching für die politikwissenschaftliche Lehre aufzeigten. Innovative Formen der Vermittlung wichtiger wissenschaftlicher und berufsqualifizierender Schlüsselkompetenzen würden nicht nur in Curricula gefordert, auch Studierende würden diese zusehends mit großem Interesse nachfragen. Insofern kann das Fallprinzip einen wichtigen Beitrag zu einer stärker kompetenzorientierten Lehre leisten, bilanzierte Glaab. Die bestehenden Entwicklungsperspektiven, die beispielsweise auch kompetenzorientierte Prüfungsformen mit Fällen umfassen, werden auch künftig zum interdisziplinären Austausch einladen.


Datum der Meldung 22.09.2016 17:00

Problemorientiert gedacht, erfolgreich geschrieben! Außercurriculare Schreibwerkstatt am Campus Landau zu aktuellen politischen Themen

„Erwartungen erfüllt!“, so die Rückmeldung der Teilnehmerinnen und Teilnehmer der außercurricularen Blockveranstaltung „Schreibwerkstatt: Problemorientiert denken – erfolgreich schreiben“, die im Januar und Februar 2016 am Campus Landau stattfand. Organisiert wurde die Veranstaltung durch die Arbeitseinheit „Politisches System der Bundesrepublik Deutschland“. Im Rahmen des Lehrprojekts „Fallbasierte kompetenzorientier Lehre: Von der Falldarstellung zum Case Teaching“ erhielten Studierenden die Möglichkeit, wissenschaftliche und berufsqualifizierende Schlüsselkompetenzen zu erwerben und vertiefen.

Unter Anleitung eines studentischen Tutoren-Teams befassten sich vier Arbeitsgruppen anhand von Medienberichten und weiteren Primärquellen mit aktuellen politische Themen: Darunter der rheinland-pfälzische Landtagswahlkampf 2016, der Bürgerbeteiligungsprozess zum umstrittenen Infrastrukturprojekt JVA Rottweil in Baden-Württemberg, die Aussetzung der Wehrpflicht 2011 und das „Mammutprojekt“ Energiewende.

Doch standen nicht allein inhaltliche Aspekte im Vordergrund. Vielmehr ging es um praktische Herausforderungen wie: Was macht Schreiben im akademischen und journalistischen Bereich eigentlich aus? Wie finde ich eine interessante Problemstellung? Wie werden Themen strukturiert? Auf diese Fragen, die sich im Studium spätestens bei Haus- oder Abschlussarbeiten stellen, lieferte die Schreibwerkstatt Antworten. Im Ergebnis erstellten die einzelnen Gruppen einen sogenannte „Case“, eine schriftliche Falldarstellung, die einen reale politische Handlungssituation dicht beschreibt und faktengetreu wiedergibt. Nach einer Vorbesprechung und der anschließenden Materialsichtung folgte im Rahmen des ersten Blocktermins die Strukturierung der Themen sowie die eigenständigen Textproduktion in Kleingruppen. Die ausgearbeiteten Texte wurden am zweiten Wochenendtermin in Redaktionskonferenzen intensiv diskutiert und schließlich zu einem Gesamttext zusammengefügt.

„Ich glaube, die handlungsorientierte Herangehensweise und die kooperative Zusammenarbeit waren zwei wesentliche Highlights der Schreibwerkstatt, die sehr gut bei den Studierenden angekommen sind“, fasste eine Tutorin in der Feedbackrunde am Ende der Veranstaltung ihre Eindrücke zusammen. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer bilanzierten, dass die Analyse aktualitätsnaher, konkreter politischer Sachprobleme einen besonderen Mehrwert der Veranstaltung darstellte. Insgesamt würden sie der nächsten Hausarbeit nun „entspannter“ entgegen blicken, sich aber auch mehr solcher Angebote am Campus Landau wünschen

 

Datum der Meldung 22.02.2016 00:00

Seiteneinsteiger in die Politik: Zum Scheitern verurteilte Exoten oder erfolgreiche Mandatsträger?

Gastvortrag von Dr. Moritz Küpper im Rahmen der „Lecture Series zu aktuellen Fragen der Politikforschung“

Seiteneinsteiger in die Politik finden in der medialen Berichterstattung scheinbar größere  Aufmerksamkeit als in der politikwissenschaftlichen Forschung. Vor allem gilt dies für prominente Persönlichkeiten. Erinnert sei beispielsweise an den Schauspieler und „Tatort“-Kommissar Peter Sodann, der sich 2009 für die Partei DIE LINKE als Bundespräsidentschaftskandidat gegen Horst Köhler und Gesine Schwan zur Wahl stellte. Trotz der eher ungewissen Karriereaussichten findet der Ruf nach neuen Köpfen in der Politik in der Öffentlichkeit großen Anklang. Gerhard Schröder sorgte im Wahlkampf 1998 mit einem Schattenkabinett für Furore, in dem gleich mehrere Seiteneinsteiger aufgeboten wurden. Darin sah der spätere Bundeskanzler ein großes Potenzial: „Wir brauchen Leute, die nicht aus der Politik kommen und Erstarrungen in der Gesellschaft aufbrechen.“

 

Die Umwege in die Politik einmal genauer zu kartographieren, war das Ziel des Gastvortrags von Dr. Moritz Küpper zum Thema: „Heilsbringer, Hoffnungsträger, Hochstapler?! Seiteneinsteiger in die Politik aus Sicht von Wissenschaft und Medien“ am 10. November 2015 am Campus Landau. Der Journalist (Landesstudio Nordrhein-Westfalen, Deutschlandfunk / Deutschlandradio Kultur / DRadioWissen)  und Politikwissenschaftler war einer Einladung von Prof. Dr. Manuela Glaab gefolgt, im Rahmen der von ihr organisierten Lecture Series zu aktuellen Fragen der Politikforschung zu referieren. Als profilierter Kenner der Politikszene und Autor des 2013 erschienen Buches „Politik kann man Lernen“ (Mitteldeutscher Verlag) ging Küpper der Frage nach, wann und wie ein Seiteneinstieg funktioniert.

 

Die Umwege in die Politik einmal genauer zu kartographieren, war das Ziel des Gastvortrags von Dr. Moritz Küpper zum Thema: „Heilsbringer, Hoffnungsträger, Hochstapler?! Seiteneinsteiger in die Politik aus Sicht von Wissenschaft und Medien“ am 10. November 2015 am Campus Landau. Der Journalist (Landesstudio Nordrhein-Westfalen, Deutschlandfunk / Deutschlandradio Kultur / DRadioWissen)  und Politikwissenschaftler war einer Einladung von Prof. Dr. Manuela Glaab gefolgt, im Rahmen der von ihr organisierten Lecture Series zu aktuellen Fragen der Politikforschung zu referieren. Als profilierter Kenner der Politikszene und Autor des 2013 erschienen Buches „Politik kann man Lernen“ (Mitteldeutscher Verlag) ging Küpper der Frage nach, wann und wie ein Seiteneinstieg funktioniert.

Dabei stellte er ein ganzes Bündel von Voraussetzungen und Erfolgsfaktoren vor: Ein starker Mentor, finanzielle Ressourcen und sich bietende „Gelegenheitsfenster“ würden eine gewichtige Rolle spielen, um als Seiteneinsteiger in der Politik Fuß fassen zu können, so Küpper. Dass hieraus immer wieder erfolgreiche Karrieren von Seiteneinsteigern in Parlament und Regierung resultieren, verdeutlichte der Hörfunkkorrespondent an verschiedenen Beispielen. So etwa anhand des Falls von Eberhard Gienger, ehemaliger deutscher Kunstturner und seit 2002 CDU-Bundestagsabgeordneter, der nach seinem Wechsel in die Politik nunmehr das Amt des Sprechers der Arbeitsgruppe „Sport und Ehrenamt“ der CDU/CSU-Bundestagsfraktion bekleidet und überdies dem Fraktionsvorstand angehört.

Ungeachtet solcher Erfolgsbeispiele bilanzierte Küpper dennoch, dass viele der politischen Seiteneinsteiger letztlich scheitern und sich nicht im Politikbetrieb etablieren könnten. Seine Analysen belegen, dass nur etwa 43 Prozent der Seiteneinsteiger wiedergewählt werden und sich damit in der Politik halten können. Entsprechend fokussierte die im Anschluss des Vortrags mit den zahlreich erschienenen Studierenden geführte Diskussion auf die Frage nach den Anforderungen, Sozialisierungs- und Professionalisierungsprozessen von Seiteneinsteigern in der Politik. Im Ergebnis hielt Küpper fest, dass erfolgreiche Seiteneinsteiger im Politikbetrieb faktisch nicht mehr als solche auffielen, da sie sich im Laufe der Zeit zusehends an die Logik des Berufspolitikertums anpassen würden. Darin wurde von den Diskutanten schließlich der aus politikwissenschaftlicher Sicht zentrale und für weitere Forschungen relevante Aspekt erkannt.


Datum der Meldung 19.11.2015 00:00

Vom „Brexit“ zu „Little Britain“? Großbritannien nach der Unterhauswahl 2015

Deutsch-britische Expertentagung auf Kloster Banz vom 17. bis 18. September 2015

In  insgesamt drei Panels analysierten die ReferentInnen zunächst die Bilanz der Koalition Cameron-Clegg sowie die neue Agenda der im Mai 2015 angetretenen konservativen Mehrheitsregierung in Großbritannien. Danach wurden die längerfristigen Wandlungsprozesse und die Perspektiven des britischen Parteiensystems nach der Unterhauswahl diskutiert. Abgerundet wurde der erste Konferenztag von einem Kamingespräch, das die aktuelle Flüchtlingskrise und deren Implikationen für die europäischen Partner zum Thema hatte. Am zweiten Konferenztag erweiterten die ReferentInnen die nationale Perspektive und legten den Fokus in einem weiteren Panel auf die deutsch-britischen, europäischen und transatlantischen Beziehungen.

Prof. Dr. Manuela Glaab (Universität Koblenz-Landau) gestaltete den Auftakt der Veranstaltung mit einem Impulsreferat zu den aktuellen Entwicklungen im Nachgang der britischen Unterhauswahlen des Jahres 2015 und leitete damit das erste Panel ein. Daran anknüpfend zogen Prof. Dr. Roland Sturm (Universität Erlangen-Nürnberg) sowie Dr. Matt Beech (University of Hull) und Annette Dittert (Journalistin, bis Ende 2015 Studioleiterin der ARD/NDR London) eine Bilanz der ersten Koalitionsregierung in Großbritannien seit der Nachkriegszeit. Sturm zeigte durch einen systematischen Überblick der Projekte und Maßnahmen der konservativ-liberalen Koalition auf, dass diese zwischen 2010 und 2015 keineswegs alle Reformvorhaben umsetzen konnte. Beech widmete sich sodann der neuen Regierungsagenda, die die konservative Mehrheitsregierung bis 2020 umsetzen will.

 

Die Wahl des neuen Labour-Vorsitzenden Jeremy Corbyn beleuchtete er in diesem Zusammenhang hinsichtlich ihrer möglichen Konsequenzen für das britische Parteiensystem wie auch für die derzeit amtierende Regierung unter Premierminister David Cameron. Angesichts des innerparteilichen Konfliktpotenzials der Person Corbyns und einem drohenden inhaltlichen Orientierungsverlust der Labour-Party hätten Cameron und die Conservatives die realistische Chance, ihre Mehrheit längerfristig zu sichern, so Beechs vorsichtige Einschätzung der weiteren Entwicklung. Anette Dittert erweiterte die beiden wissenschaftlichen Perspektiven um den Blick auf die gegenwärtigen Verhältnisse in Großbritannien. Dazu berichtete sie eindrücklich von ihrem Leben in London und benannte „the existence of a big social gap“ als das brennende gesellschaftspolitische Problem in Großbritannien, dem sich die Politik stellen müsse.

 

Gisela Stuart (Member of Parliament - HoC) diskutiert im Plenum

Im zweiten Panel beschäftigten sich Dr. Alistair Clark (Newcastle-University), Prof. Dr. UweJun (Universität Trier) und Gisela Stuart (Member of Parliament - HoC) mit den Konsequenzen der Unterhauswahl 2015 für das britische Parteiensystem. Clark und Jun legten den Fokus zunächst auf die Effekte des britischen Mehrheitswahlsystems sowie auf die steigende Wählervolatilität und deren Auswirkungen. Gisela Stuart ergänzte die analytischen Überlegungen durch anschauliche Einblicke in ihre seit 1997 bestehende Abgeordnetentätigkeit im britischen Unterhaus. In der anschließend von Professor Glaab geführten Diskussion mit den weiteren teilnehmenden Experten verdeutlichte Alistair Clark, dass es besonders wichtig sei, den Wählern für deren eigene Zukunft glaubwürdige Perspektiven anzubieten. Die Bedeutung von Narrativen für die Strategiefähigkeit im politischen Wettbewerb unterstrich auch Gisela Stuart. Es gelte die einfache Formel, dass sie als MP die Anliegen ihrer Wähler nachvollziehen und in politische Positionen transferieren müsse, so Stuart.

Am zweiten Konferenztag legten Prof. Paul Whiteley (University of Essex), Dr. Kai Oppermann(University of Sussex) und Dr. Andreas Marchietti (Zentrum für Europäische Integrationsforschung der Universität Bonn) in einem von Prof. Dr. Reinhard Meier-Walser (Hanns-Seidel-Stiftung) moderierten dritten Panel ihr Augenmerk auf die Konsequenzen der Unterhauswahl für die innere Ordnung und die Außenbeziehungen Großbritanniens. Zunächst analysierte Whiteley anhand von Umfrageergebnissen den Euroskeptizismus der Briten. Die EU-Skepsis brachte er insbesondere mit den Einstellungen der Briten zu wirtschaftlichen Problemen, Immigration und der subjektiv empfundenen EU-Kontrolle der britischen Wirtschaft in Zusammenhang. Er zeigte auf, dass diese situativen Faktoren auch in Zukunft Einfluss auf die Identifikation der Briten mit der EU und damit auch auf das bevorstehende EU-Referendum haben werden. Oppermann lenkte den Blick anschließend auf die deutsch-britischen Beziehungen und betonte, dass es sich um eine „silent special relationship“ handele. Schließlich referierte Dr. Marchietti aus sicherheitspolitischer Perspektive über den hohen Stellenwert der britisch-amerikanischen Beziehungen für die konservative Regierung David Camerons.

Zum Abschluss resümierten Prof. Dr. Glaab und Prof. Dr. Meier-Walser die wichtigsten Ergebnisse der Expertenrunden. Dabei stellten sie die nächste Tagung vor dem Hintergrund des von der britischen Regierung geplanten EU-Referendums in Aussicht.

Hier geht es zum ausführlichen Tagungsbericht der Hanns-Seidel-Stiftung: http://www.hss.de/fileadmin/media/downloads/Berichte/150917_Unterhauswahl_Grossbritannien_Tagungsbericht.pdf


Datum der Meldung 01.10.2015 00:00

Transparenz, Partizipation, Legitimation – Potenziale und Grenzen von Bürgerbeteiligung - Fachtagung in der Staatskanzlei Mainz

Transparenz, Partizipation, Legitimation – Potenziale und Grenzen von Bürgerbeteiligung

Fachtagung in der Staatskanzlei Mainz zu Praxis und Perspektiven von Beteiligungsprozessen

Bürgerinnen und Bürger wollen, können und sollen sich in Politik einmischen. Welche Beteiligungsformen geeignet sind, Wünsche nach mehr Partizipation aufzunehmen und welche Chancen, aber auch Herausforderungen hierbei in der Praxis bestehen, war Thema der Fachtagung „Politik mit Bürgern – Politik für Bürger. Praxis und Perspektiven einer neuen Beteiligungskultur“, die am 25. Juni in Kooperation mit dem Institut für Sozialwissenschaften, Abteilung Politikwissenschaft der Universität Koblenz-Landau in der Staatskanzlei Rheinland-Pfalz stattfand.

Zum fachlichen Austausch zwischen Wissenschaft, Politik und Zivilgesellschaft begrüßte Moderator Ralph Szepanski (ZDF heute Redaktion) mehr als 130 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus dem gesamten Bundesgebiet im Festsaal der Staatskanzlei. Im Gespräch mit den Veranstaltern der Fachtagung, Professor Manuela Glaab (Universität Koblenz-Landau) und Christoph Charlier (Leiter Abteilung Regierungsplanung in der Staatskanzlei Rheinland-Pfalz), wurde zunächst die Bedeutung des Tagungsthemas aufgezeigt. Es müsse darum gehen, die Wutbürger zu Mutbürger zu machen, um die Krise der repräsentativen Demokratie zu überwinden, so Charlier. Dass durch die frühzeitige partizipative Einbindung von Anliegen und Forderungen der Bürgerinnen und Bürger in politische Entscheidungsprozesse potenziell Legitimitätsgewinne erzielt werden können, betonte auch Professor Glaab in ihrem Eingangsstatement.

Der mit großem Interesse erwartete Vortrag der Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz, Malu Dreyer, zog zunächst eine Bilanz der bisher im Land umgesetzten Projekte zur Bürgerbeteiligung. Dazu verwies sie auf die ersten Wegmarken zu mehr Beteiligung, die etwa durch die 2006 installierte Planungszelle Bürgerbeteiligung, die Trinationale Metropolregion Oberrhein oder auch das Jugendforum Rheinland-Pfalz gelegt worden sind. Zielsetzung dabei sei es, dass Partizipation und Mitbestimmung der Bürgerinnen und Bürger zur „Normalität unserer politischen Welt“ werden, so die Ministerpräsidentin. Bürgerbeteiligung müsse als „Mehrwert“ verstanden werden, „der Politik bereichert“. Die rheinland-pfälzische Landesregierung erachte es als wichtig, so Dreyer weiter, in einem parteiübergreifenden Ansatz „verbindliche Möglichkeiten zu schaffen, dass Menschen sich beteiligen können“. Zu berücksichtigen seien dabei Fragen der Barrierefreiheit, Überlegungen zur Absenkung der Hürden für direktdemokratische Beteiligung sowie die Weiterbildung der politischen Entscheidungsträger im Bereich Beteiligungsmanagement. In diesem Zusammenhang verwies Ministerpräsidentin Dreyer auf den im Ministerrat beschlossenen Entwurf des Transparenzgesetzes, das Informationen unkompliziert zugänglich und politische Entscheidungen nachvollziehbarer machen solle. Es gehe um nicht weniger als einen „Kulturwandel in der Verwaltung“, so Dreyer. Dass es letztlich immer auch „Kernbereiche exekutiver Eigenverantwortung“ geben müsse, die einer vollständigen Transparenz nur schwer zugänglich sein dürften, war u.a. ein Ergebnis der Diskussion der Plenumsdiskussion mit der rheinland-pfälzischen Ministerpräsidentin.

Im Anschluss an den Vortrag der Ministerpräsidentin gewährte Prof. Dr. Thorsten Faas (Johannes Gutenberg-Universität Mainz) Einblicke in die wissenschaftliche Evaluation des Beteiligungsverfahrens zur Erarbeitung des Transparenzgesetzes. Die Daten geben eine große Offenheit für den Ausbau von Bürgerbeteiligungsverfahren zu erkennen, ohne dass aber ein klares Stimmungsbild über die konkreten Formen und Formate der Beteiligung zu konstatieren wäre. Überdies unterstreichen die Befragungen die Notwendigkeit eines transparenten Erwartungsmanagements: Bürgerinnen und Bürger verlangten eine Rückmeldung und eine Begründungsleistung von Seiten der Politik, wenn eingebrachten Vorschläge in Beteiligungsverfahren verworfen werden, so Faas am Ende des Vormittags.

Der Nachmittag wurde eröffnet mit der Frage „Was soll Bürgerbeteiligung bewirken?“, die sich ein Panel von Wissenschaftlern und das Plenum stellten. Ausgehend vom Problembefund einer Krise der repräsentativen Demokratie verwies Prof. Dr. Manuela Glaab (Universität Koblenz-Landau) in ihrem einführenden Impuls zunächst auf das Potenzial von Bürgerbeteiligung, die  Input-, Throughput- und Output-Legitimation von Politik zu stärken. In allen drei Dimensionen richteten sich hohe Erwartungen an die partizipatorische Praxis, nicht zu übersehen seien aber auch die Herausforderungen: Während die Bürgerinnen und Bürger eine effektive Einflussnahme auf politische Entscheidungen erwarteten, riskiere die Politik einen Teil ihrer Handlungsautonomie. Zwar könne eine gelingende Bürgerbeteiligung zu besser informierten und transparenteren Entscheidungen beitragen, zugleich aber bestehe ein Partizipations-Effizienz-Dilemma, das schon daraus resultiere, dass Bürgerbeteiligung Zeit braucht und Kosten verursacht, ohne garantieren zu können, dass tatsächlich „bessere“ und für alle akzeptable Politikergebnisse erreicht werden. Die (Ergebnis-)Offenheit und Verfahrensqualität der Beteiligungsprozesse markierte Glaab daher als Schlüsselfaktoren.

Da die Debatte um Bürgerbeteiligung stets auch onlinebasierte Partizipationsformate einschließt, stellte Prof. Dr. Norbert Kersting (Westfälische Wilhelms-Universität Münster) diese ins Zentrum seines Statements. Ausgehend von der Differenzierung verschiedener online und offline Instrumente politischer Partizipation, referierte Kersting Ergebnisse einer Befragung von Bürgern, Politikern und Verwaltungsmitarbeiter zur Bewertung der unterschiedenen Partizipationsinstrumente. Die Befunde zeigen zunächst einen „partizipativen turn“, so der Politikwissenschaftler. Bürger, Politik und Verwaltung forderten einhellig mehr Bürgerbeteiligung. Was die Bewertung der einzelnen Instrumente betrifft, so gelten traditionellen Formen der offline-Beteiligung (Gemeinderatswahlen, Bürgerentscheide, Bürgerinitiativen etc.) in der Wahrnehmung der Befragten gegenüber etablierten online-Verfahren (Bürgerhaushalte) und Social Media-Plattformen (z.B. facebook) als deutlich geeigneter zur Verbesserung von Entscheidungen.

Dass die instrumentelle und prozedurale Ausgestaltung von Bürgerbeteiligungsformaten hinsichtlich ihrer sozial-strukturellen Voraussetzungen geprüft werden müsse, bildete den Ausgangspunkt des Statements von Prof. Dr. Roland Roth (Hochschule Magdeburg-Stendal). Soziale Ungleichheit stelle die zentrale Herausforderung für bürgerschaftliches Engagement auf allen gesellschaftlichen Ebenen dar, konstatierte Roth. Insofern seien Fragen der Bürgerbeteiligung zwingend mit Überlegungen zur Beteiligungsgerechtigkeit zu verknüpfen. Erst durch die Überwindung ökonomisch induzierte Ungleichheiten werde die Voraussetzung für eine umfassende politische Partizipation geschaffen, so Roth

Welche Rolle die mediale Berichterstattung und gesellschaftliche Kommunikation für öffentliches Vertrauen, Akzeptanz, Partizipation und Transparenz spielen, erörterte Prof. (em.) Dr. Günter Bentele (Universität Leipzig). Vor dem Hintergrund einer fortschreitenden Digitalisierung und wachsenden Beteiligungsansprüchen einer emanzipierten Gesellschaft werden Verwaltungen, Verbände und Unternehmen künftig stärker öffentlichkeitswirksam mit eigenen Mitteln kommunizieren müssen, hielt Bentele fest. Dabei komme dem Akzeptanzmanagement als grundlegende und zentrale Führungsaufgabe entscheidende Bedeutung zu. Entsprechend bedürfe es einer Veränderung im Organisations- und Kommunikationsmanagement, die stärker als zuvor auf Akzeptanz als strategischen Erfolgsfaktor auszurichten seine, betonte Bentele.

Inwieweit die aufgezeigten wissenschaftlichen Perspektiven auf Bürgerbeteiligungsprozesse mit der partizipatorischen Praxis korrespondieren, wurde anschließend in drei parallel tagenden Expertenpanels mit unterschiedlichen thematischen Schwerpunkten vertieft. Diese praxisnahen Runden stießen bei den  anwesenden Studierenden des Bachelorstudiengangs Sozialwissenschaften der Universität Koblenz-Landau, die sich in einem von Professor Glaab geleiteten Seminar zum Thema „Bürgerbeteiligung und direkte Demokratie in Deutschland“ intensiv auf die Fachtagung vorbereitet hatten, auf besonderes Interesse. Denn hier konnte das theoretisch erworbene Fachwissen mit den vor Ort in konkreten Projekten gemachten Erfahrungen konfrontiert werden.

Moderiert von Prof. Dr. Frank Brettschneider (Universität Hohenheim) diskutierten Judith Engel (ÖBB – Infrastruktur AG) und Manfred Tammen (Niedersächsisches Ministerium für Umwelt, Energie und Klimaschutz) Prozesse der Bürgerbeteiligung bei Großprojekten. Den Praxistest für Verfahren der kooperativen Demokratie, unternahmen – moderiert von Prof. Dr. Hans J. Lietzmann (Bergische Universität Wuppertal) – Dr. Harald Egidi (Leiter Nationalparkamt Hunsrück-Hochwald) und Birger Hartnuß (Staatskanzlei Rheinland-Pfalz). In einem dritten Panel widmeten sich Prof. Dr. Eike-Christian Hornig (Universität Gießen), Claudine Nierth (Bundesvorstandssprecherin Mehr Demokratie e.V.), Ralf Broß (Oberbürgermeister Rottweil) und Michael Boos (Bürgermeister der Verbandsgemeinde Simmern/Hunsrück) Fragen der direkten Demokratie.

Die Ergebnisse der einzelnen Panels, etwa das Spannungsverhältnis zwischen plebiszitärer und repräsentativer Demokratie, der Erfolgsfaktor der Ergebnisoffenheit bei Beteiligungsverfahren oder die Voraussetzungen einer Dialog- und Gesprächskultur, wurden schließlich in der Podiumsdiskussion „Aktive Bürgerbeteiligung für eine starke Demokratie: Enquete-Kommission und wie weiter?“ aufgegriffen. Die von Ralph Szepanski moderierte Runde um Martin Haller (Mitglied der SPD-Fraktion im Landtag Rheinland-Pfalz), Daniel Köbler (Fraktionsvorsitzender Bündnis90/Die Grünen im Landtag Rheinland-Pfalz), Marcus Klein (Mitglied der CDU-Fraktion im Landtag Rheinland-Pfalz), Dr. Bernhard Matheis (Oberbürgermeister Pirmasens) und Dr. Serge Embacher (Bundesnetzwerk Bürgerschaftliches Engagement) reflektierte – auch auf dem Erfahrungshintergrund der Beratung in der Enquete-Kommission Bürgerbeteiligung – noch einmal die Chancen und Herausforderungen partizipativer Entscheidungsverfahren. So seien etwa finanzielle Zwänge insbesondere mit Blick auf die Kommunen für die Umsetzung effektiver Beteiligungsprozesse nicht zu unterschätzen, so das Podium. Auch die Frage der Zuordenbarkeit politischer Verantwortung bei möglichen Negativfolgen von einzelnen Entscheidungen sei keineswegs trivial zu lösen. Gleichwohl hielten die Podiumsteilnehmer in großer Übereinstimmung mit dem Publikum fest, dass der Ausbau von Bürgerbeteiligungsverfahren wichtige Bausteine auf dem Weg zu gemeinwohldienlicheren Entscheidungen sowie zu einem gesteigerten bürgerschaftlichen Engagement darstellen, die auch künftig weiter zu erproben seien.


Datum der Meldung 10.07.2015 00:00

Die Geschichte des Mauerfalls: Prof. Dr. Werner Müller über den Zusammenbruch der DDR 1989/90

m 9. November 2014 jährte sich zum 25. Mal der Fall der Berliner Mauer. Ein Bauwerk, das wie kaum ein anderes die Teilung Deutschlands sowie den Ost-West-Konflikt symbolisierte. Die Öffnung der innerdeutschen Grenze bedeutete nicht nur das Ende des Kalten Krieges. Der Mauerfall ist auch ein bedeutender Meilenstein auf dem Weg zur Deutschen Einheit. Die Grenzöffnung läutete das Ende der Deutschen Demokratische Republik (DDR) ein. Der Fall der Berliner-Mauer muss dabei als Kulminationspunkt eines bereits länger währenden Niedergangprozesses gelten, wie Professor Werner Müller (Universität Rostock) in seinem Gastvortrag vom 17. Dezember 2014 am Campus Landau betonte. Der Historiker und DDR-Forscher sprach im Rahmen der Vorlesung von Professor Manuela Glaab „Das politische System Deutschlands“ über die Gründe und Ursachen, die zum Zusammenbruch der DDR in den Jahren 1989/90 führten.

Im Kern lasse sich der Niedergang der DDR auf drei, sich teils wechselseitig bedingende Faktoren zurückführen, so Professor Müller.

Zunächst sei die Funktionsfähigkeit des politischen Systems der DDR im Jahr 1989 erheblich erodiert, ja geradezu „paralysiert“ gewesen. Insbesondere Regelungsprobleme, die keiner Lösung mehr zugeführt werden konnten und zu einer erheblichen Destabilisierung führten, seien dabei zu nennen. Zum zweiten ließen wirtschaftliche Turbulenzen wie Devisenprobleme die Führung der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) sowie den Sicherheitsapparat unter Druck geraten, konstatierte Müller. Drittens sei das System in den Jahren 1989/90 auch „geistig am Ende“ gewesen. Die Staatsideologie des Marxismus und Leninismus war „schlichtweg bankrott“, so Müller pointiert. Es folgten das Aufkommen der Bürgerrechtsbewegung, die sogenannten Montagsdemonstrationen und die Einrichtung von Runden Tischen. Kurzum: Die Systemkrise wurde manifest. Als wichtiges Ereignis der voranschreitenden friedlichen Revolution in der DDR hob Professor Müller die Leipziger Montagsdemonstration vom 9. Oktober 1989 hervor. Angesichts von 70.000 Demonstrantinnen und Demonstranten kapitulierten SED-Führung und Sicherheitsapparat an diesem Tag vor der Bürgerbewegung, die schließlich ungehindert und ohne gewaltsame Übergriffe durch die Leipziger Innenstadt ziehen konnten. Dass die Bürgerrechtsbewegung insbesondere in der Institution Kirche wichtige Unterstützung fand, legte Professor Müller in der Diskussion mit den anwesenden Studierenden und Gasthörern dar. Die Kirchen bildeten in dieser Zeit wichtige Zufluchtsorte für den Widerstand gegen die staatliche Führung der DDR, hielt der Historiker zum Ende der Diskussion fest.


Datum der Meldung 02.01.2015 00:00

Neue Herausforderungen und das Gebot der Distanz zum Gegenstand: Politikberichterstattung zwischen Mainz und Berlin

Wenn in Wissenschaft und Publizistik über das Verhältnis von Politik und Medien sowie über Fragen der Mediendemokratie diskutiert wird, dann richtet sich der Blick allzu häufig auf die „Käseglocke“ Berlin. Weniger Aufmerksamkeit erfährt die landespolitische Ebene. Dabei ist nicht nur der Hauptstadtjournalismus von rapiden Veränderungen betroffen. Zeitungen wie auch Rundfunk stehen unter wachsendem Wettbewerbsdruck. Das Publikum fluktuiert und nutzt immer häufiger die elektronischen Mit-Mach-Medien. Welche Folgen diese Trends für die landespolitische Berichterstattung zeitigen und inwieweit dabei Gemeinsamkeiten oder Unterschiede zum Berliner Hauptstadtjournalismus bestehen, diskutierten am 20. Januar Georg Link, landespolitischer Korrespondent des SWR-Fernsehens und Vorsitzender der Landespressekonferenz Rheinland-Pfalz, und Michael Garthe, Chefredakteur der Zeitung „Die Rheinpfalz“. Die beiden profilierten Kenner des Mainzer wie auch des Bonner und Berliner Politikjournalismus waren auf Einladung von Professorin Manuela Glaab, Abteilung Politikwissenschaft am Institut für Sozialwissenschaften, zur Expertenrunde mit dem Titel „Hauptstadtjournalismus vs. ‚Neues vom Lande’? Trends und Perspektiven der Politikberichterstattung“ zum Landauer Campus gereist. Die Diskussionsrunde bildete zugleich den Auftakt zu einer neuen Lecture Series zu aktuellen Fragen der Politikforschung, die von Prof. Glaab an der Abteilung Politikwissenschaft der Universität Koblenz-Landau organisiert wird.

 

Basierend auf ihren langjährigen Erfahrungen im praktischen Journalismus berichteten beide Experten zunächst kritisch über die immer vielgestaltiger und schnelllebiger werdende Medienlandschaft auf Landes- wie auf Bundesebene. Insbesondere die zusehends an Popularität gewinnenden Social Media-Plattformen wie Twitter veränderten das redaktionelle Arbeiten, so Link. Nicht nur, dass Twitter & Co. die Taktung der Nachrichtenproduktion erheblich beschleunigten, vielfach würde den Reportern vor Ort weniger geglaubt als den vermeintlichen Fakten, die auf den diversen Social Media-Kanälen zu lesen seien, merkte der SWR-Korrespondent kritisch an. Gänzlich auf die neuen Informationsplattformen verzichten könne man aber dennoch nicht, so Link weiter.

 

Auch Michael Garthe diagnostizierte weitreichende Veränderungen in der Nachrichtenproduktion, die er auf ein verändertes Rezeptionsverhalten einer immer stärker online-orientierten Leserschaft zurückführte. Zu beobachten sei, dass die durchschnittliche Verweildauer bei längeren Artikeln auf der Homepage der Rheinpfalz, wofür ein schneller Leser etwa 15 Minuten bräuchte, nicht einmal mehr 2 Minuten betragen würde. Dies bestätige, so Garthe, dass die Leser heutzutage offenbar nicht nur die Fähigkeit oder Bereitschaft zur längeren Lektüre verloren hätten, sondern schlicht nicht mehr darauf aus seien, sich ihre Meinung durch diese Art und Weise der Informationsbeschaffung zu bilden. Der Chefredakteur der Rheinpfalz prognostizierte, dass der Trend weg vom „Findmedium Zeitung“ hin zu den „Suchmedien“ des Internet langfristig zu einer Verflachung der berichtetet Inhalte führen werde.

 

Die Einlassung aus dem Publikum, das an diesem Dienstagabend zahlreich erschienen war, ob denn die Verflachung der Inhalte eventuell auch auf eine fehlende journalistische Selbstkritik zurückzuführen sei, teilten beide Experten. Garthe versicherte, dass in seiner Redaktion das Thema der Selbstkritik sehr groß geschrieben werde: „Da wird teilweise heftig und lange diskutiert und das ist meiner Meinung nach auch ganz wichtig“.

 

Das Thema, das im Laufe des Abends den größten Raum einnahm, war die Frage nach den Einflussmöglichkeiten der Politik auf die Medien. SWR-Korrespondent Georg Link, der die Berliner Bühne aus seinen Tätigkeiten im ARD-Hauptstadtstudio kennt, argumentierte, dass es für Akteure der landespolitischen Ebene leichter sei, auf die mediale Berichterstattung Einfluss zu nehmen. Dies liege vor allem an der häufig dünneren Personaldecke der regionalen Zeitungen und Rundfunksender. Auf bundespolitischer Ebene werde dies schon dadurch erschwert, dass der starke Konkurrenzkampf zwischen den einzelnen Redaktionen wie auch die räumlichen Distanzen subtilere Versuche der Einflussnahme bedingen, was diese insgesamt komplizierter und aufwändiger erscheinen lasse, so Link.

 

Michael Garthe, der in den Jahren 1989 bis 1993 als Hauptstadtkorrespondent in Bonn tätig war, beschrieb in Bezug auf praktikzierte Versuche der Einflussnahme auf die Berichterstattung durch politische Akteure, wie er seinerzeit in Bonn von einem namhaften Politiker das „ABC der Berichterstattung“ erklärt bekam. Auch private Anrufe seien nicht ausgeblieben. Die Konsequenz aus diesen Erfahrungen formulierte Garthe mit Zustimmung von Link deutlich: „Distanz zwischen Politik und Journalismus ist wichtig.“ Eine Feststellung, die die beiden Experten auch angehenden VolontärInnen und JournalistInnen der sozialwissenschaftlichen Studiengänge der Universität Koblenz-Landau mit auf den Weg gaben.


Datum der Meldung 30.01.2015 00:00

"Machtfaktor Religion. Reformation und Politik heute" am 4. und 5. Juli 2014

Wie entwickelt sich das Verhältnis von Kirchen und Politik angesichts der Erosionsprozesse, von denen sowohl die beiden großen christlichen Kirchen als auch die Parteien in Deutschland betroffen sind? Mit dieser Frage setzt sich Prof. Dr. Manuela Glaab in ihrem Vortrag "Wie kirchennah ist die Politik? Akteure - Programme - Wähler" an der Evangelischen Akademie der Pfalz auseinander. Anlass ist die Tagung "Machtfaktor Religion. Reformation und Politik heute", die von der Akademie in Kooperation mit der Friedrich-Ebert-Stiftung Rheinland-Pfalz/Saarland und dem Frank-Loeb-Institut am 4. und 5. Juli 2014 in Landau mit Vertreteren aus Wissenschaft, Politik, Kirchen und Gesellschaft veranstaltet wird. Weitere Informationen dazu:

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Datum der Meldung 04.07.2014 00:00

"Politik ohne Kompass? – Zukunftskonstellationen reflektieren" am 11. Juli 2014

Prof. Dr. Manuela Glaab (Universität  Koblenz-Landau), Dr. Melanie Piepenschneider (Leiterin Politische Bildung der Konrad-Adenauer-Stiftung, Wesseling), Matthias Deiß (Fernsehkorrespondent, ARD-Hauptstadtstudio), Dr. Andreas Kießling (Economic and Public Affairs - Electricity, E.ON AG) und Matthias Chardon (Forschungspolitischer Referent in der Generalverwaltung der Max-Planck-Gesellschaft) – sie alle halten am 11. Juli 2014 an der Ludwig-Maximilians-Universität München ein Impulsreferat zum Thema "Politik ohne Kompass? – Zukunftskonstellationen reflektieren". Anlass ist das Alumnitreffen des Centrums für angewandte Politikforschung (C∙A∙P)  und des Geschwister-Scholl-Instituts für Politikwissenschaft (GSI), zu dem sich auch in diesem Jahr zahlreiche Absolventinnen und Absolventen angekündigt haben.

 

Den Tagungsbericht finden Sie unter folgendem Link: Hier klicken!


Datum der Meldung 03.07.2014 00:00

Tagungsbericht: „Transparenz und Bürgerbeteiligung – neue Parameter des modernen Regierens?“. Konferenz der Sektion „Regierungssystem und Regieren in der Bundesrepublik Deutschland“ der DVPW vom 16. Bis 17.05.2014 an der Universität Koblenz-Landau, Campus

Ob Bürgerproteste gegen Infrastrukturprojekte wie Stuttgart 21 oder allgemeine Forderungen nach mehr direkter Demokratie, das Verlangen der Bürger nach Beteiligung am politischen Geschehen und an der politischen Entscheidungsfindung ist groß. In einer Umfrage von Infratest dimap im Februar des vergangenen Jahres sprachen sich 63 Prozent der Befragten dafür aus, dass möglichst viele politische Entscheidungen von den Bürgern direkt getroffen werden sollen. Dieses gesellschaftspolitische Stimmungsbild bleibt dem politischen Entscheidungssystem nicht verborgen. So wird zum Beispiel im aktuellen Koalitionsvertrag erklärt, dass die Koalition aus CDU/CSU und SPD die Beteiligungsmöglichkeiten der Bürgerinnen und Bürger an der politischen Willensbildung ausbauen wolle. Unter diesen Eindrücken erhält das Thema Bürgerbeteiligung gegenwärtig verstärkt Eingang in die politikwissenschaftliche Forschung.

Wie das gesteigerten Verlangen nach mehr Partizipation und größerer Transparenz politischer Entscheidungsprozesse das Regieren im Bund und in den Ländern beeinflusst oder gar verändert, darüber diskutierten am 16. und 17. Mai Politikwissenschaftler, Politikpraktiker, Studierende und Gäste am Campus Landau der Universität Koblenz-Landau. Anlass war die Tagung „Transparenz und Bürgerbeteiligung – neue Parameter des modernen Regierens?“ der Sektion „Regierungssystem und Regieren in der Bundesrepublik Deutschland“ der Deutschen Vereinigung für Politische Wissenschaft (DVPW). Die Landauer Politikwissenschaftlerin Prof. Dr. Manuela Glaab hatte die Tagung in ihrer Funktion als Vorstandsmitglied der DVPW-Sektion organisiert und leitete sie gemeinsam mit den Vorstandskollegen PD Dr. Stephan Bröchler (Fernuniversität Hagen) und Prof. Dr. Helmar Schöne (Pädagogische Hochschule Schwäbisch Gmünd). Auch der Dekan des Fachbereichs 6 der Universität Koblenz-Landau, Prof. Dr. Lothar Bluhm, freute sich, dass die Sektionstagung erstmals am Campus Landau veranstaltet wurde und begrüßte zum Auftakt die aus dem gesamten Bundesgebiet angereisten Konferenzteilnehmer und weitere Gäste.

Das grundsätzliche Ziel der Tagung bestand darin, Potenziale, Restriktionen und allgemeine Folgen von Bürgerbeteiligungsverfahren und Transparenzbestrebungen für das Regieren auf den verschiedenen Ebenen des politischen Systems Deutschlands zu untersuchen. Mit dem Verwies auf die bestehenden ambivalenten Einschätzungen über die Folgen sich öffentlich formierender Bürgerproteste und gesteigerter Transparenzforderungen verdeutlichte Professor Manuela Glaab in ihrem Eingangsstatement noch einmal die Relevanz des Tagungsthemas. Es sei durchaus erkennbar, dass ein durch Bürgerbeteiligung gesteigerter Responsivitätsdruck die Handlungskorridore des Regierens weiter verenge. Zugleich ließen sich durch eine frühzeitige partizipative Einbindung von Anliegen und Forderungen der Bürgerinnen und Bürger in politische Entscheidungsprozesse potenziell auch Legitimitätsgewinne erzielen. Somit könne das Spannungsverhältnis zwischen Wutbürgern und Aktivbürgern als ein wichtiger Ankerpunkt für die Analysen und Diskussionen der Tagung dienen, so Glaab.

Unter Moderation von PD Dr. Stephan Bröchler näherte sich das erste Panel der Tagung dem Thema Transparenz und Bürgerbeteiligung unter theoretisch-konzeptionellen und analytischen Gesichtspunkten. Dabei setzte sich Dr. Christopher Gohl (Weltethos-Institut, Tübingen) zunächst mit dem „Problem demokratischer Regierbarkeit“ auseinander, das er im Input-Output-Dilemma erkannte. Die Frage, wie dieses Input-Output-Dilemma der komplexen Demokratietheorie aufgelöst werden könne, beantwortete Gohl mit einer Agenda pragmatistischer Theoriebildung. Im Ergebnis plädierte Gohl nicht für ein „Mehr Demokratie wagen“, sondern für ein „Demokratie besser machen“. Mehr Demokratie müsse kein Wagnis mehr sein, so Gohl, wenn man Demokratie über kollektive Beteiligungs- und Problemverarbeitungsverfahren zu optimieren versuche.

Im anschließenden Vortrag stellte Prof. Dr. Friedbert W. Rüb (Humboldt Universität zu Berlin) Bürgerbeteiligung in den Kontext der Dilemmata modernen Regierens. Den Ausgangspunkt seiner Analyse über das „Regieren zwischen Bürgerbeteiligung und professioneller Politikformulierung“ bildeten Beobachtungen überzentrale Veränderungen in der Sach-, Sozial- und Zeitdimension modernen Regierens. Erhebliche Komplexitätssteigerungen, notorische Zeitknappheit undweitgehendsituativ orientierte Entscheidungsinhalte kennzeichnen nach Rüb das Regierungshandeln der Gegenwart. Diese als Paradoxien geltende Bedingungen modernen Regierens würden gemäß Rüb durch direktdemokratische Verfahren und Bürgerbeteiligung nicht etwa gelöst, sondern letztlich verstetigt.

Prof. Dr. Susanne Pickel und Prof. Dr. Andreas Blätte (Universität Duisburg-Essen) bildeten mit ihrem Vortrag „Laute Bürger, taube Politiker? Auf dem Weg zur empirischen Analyse der Sprachstörung zwischen Bürgern und politischen Eliten“ den Abschluss des ersten Panels. Am Beispiel der Bundestagswahlen von 2002, 2005 und 2009 widmeten sie sich möglichen Zusammenhängen zwischen subjektiver und objektiver Responsivität. Dabei wurde diskutiert, auf welcher Datenbasis und mit welchen Analyseverfahren die empirische Untersuchung dieses Zusammenhangszielgerichtet durchgeführt werden könne. Im Ergebnis skizzierte der Vortrag ein Forschungsprogramm, das mit dem Rückgriff auf eine computergestützte, automatisierte Aufbereitung großer Textkorpora (i. E. Plenarprotokolle des Deutschen Bundestags) einige methodische Innovationen für die Analyse des Zusammenhangs von subjektiver und objektiver Responsivität bereithielt. Die maschinelle Verarbeitung von digital verfügbaren Plenarprotokollen erlaube es, die Salienz jener Issues, die von den Wählerinnen und Wählern in Befragungen als besonders wichtig angegeben werden, anhand des Sprachgebrauchs von Bundestagsabgeordneten für Plenardebatten des Deutschen Bundetags zu bestimmen, so Pickel und Blätte.

Das zweite, von Prof. Dr. Manuela Glaab moderierte Panel der Tagung rückte den Blick auf politikpraktische Erfahrungen mit und aktuellen Forschungsbefunden zu Bürgerbeteiligung und Transparenz. Dabei präsentierte Dr. Michael Zschiesche (Unabhängiges Institut für Umweltfragen e.V., Berlin) einige empirische Daten zur „Öffentlichkeitsbeteiligung bei umweltrelevanten Zulassungsverfahren“. Sein Befund: Seit 1990 werden in Deutschland immer weniger umweltrelevante Zulassungsverfahren öffentlich realisiert. Nach Zschiesches Einschätzung ist diese Entwicklung unter anderem darauf zurückzuführen, dass viele umweltrelevante Großprojekte inzwischen häufig zu komplex seien, um eine konsistente Öffentlichkeitsbeteiligung durchführen zu können.

Die nachfolgenden zwei Vorträge des Panels widmeten sich der Bürgerbeteiligung in Rheinland-Pfalz. Zunächst untersuchten Dr. Mathias König und Dr. Wolfgang König (Universität Koblenz-Landau) „Die asymmetrischen Legitimations-Wirkungen der Bürgerbeteiligung im Rahmen der Kommunal- und Verwaltungsreform in Rheinland-Pfalz“. Ein zentrales Ergebnis ihrer Fallanalyse: Mit steigender Intensität der Beteiligungsmethoden nehmen das Beratungsinteresse sowie die Zufriedenheit der Bürger zu. Letztlich, so das Fazit von König und König, hänge der Erfolg von Bürgerbeteiligung von deren verbindlichen Verankerung in der Kommune ab.

Über den Fall der Kommunal- und Verwaltungsreform hinaus gaben Dr. Johanna Becker, Christoph Charlier und Birger Hartnuß (Staatskanzlei Mainz) einen breiteren Einblick in Erfahrung, Entwicklungen und Strategien der Bürgerbeteiligung in Rheinland-Pfalz. Unter dem Leitbild Bürgergesellschaft begreife die rheinland-pfälzische Landesregierung Partizipation als bürgerschaftliches Engagement, so Becker, Charlier und Hartnuß. Das Leitbild der Bürgergesellschaft präge daher auch wesentlich die Bereitschaft zur Stärkung von Bürgerbeteiligung. Ob grenzüberschreitende Beteiligungsverfahren wie das Trinationale Bürgerforum, offene Beteiligungsprozesse für Jugendliche in Form des Jugendforums Rheinland-Pfalz oder die Einrichtung einer Enquete-Kommission „Bürgerbeteiligung“, Transparenz und Bürgerbeteiligung seien inzwischen längst zum Regierungsprogramm avanciert. Die Zielsetzung bestehe darin, über partizipative Entscheidungsprozesse das Vertrauen in sowie die Akzeptanz und Legitimation von Politik zu fördern, Politikergebnisse insgesamt zu optimieren und damit zu einer Vitalisierung der repräsentativen Demokratie zu gelangen.

Am zweiten Tag der Konferenz adressierte das von Prof. Dr. Helmar Schöne moderierte dritte Panel die aus Transparenz und Bürgerbeteiligung resultierenden Herausforderungen für Akteure und Institutionen des repräsentativen Systems. Dabei entwickelten Dr. Jared Sonnicksen (Technische Universität Darmstadt) und Michaela Sonnicksen (Fernuniversität Hagen) einen gemeindepsychologischen Ansatz zur Bürgerbeteiligung, der ausgehend vom bottom-up-Prinzip einen Kreislauf aus Gemeinsinn, Partizipation und Empowerment zur Grundlage seiner theoretisch-analytischen Betrachtungen macht.

Prof. Dr. Uwe Kranenpohl (Evangelische Hochschule Nürnberg) stellte unter dem Titel „Bundesweite Volksgesetzgebung – aber richtig“ einige Überlegungen an, was bei der Einführung direktdemokratischer Verfahren zu berücksichtig sei. Im Kern plädierte Kranenpohl dabei für die Einführung moderater Hürden. So sprach er sich mit Blick auf fakultative Referenden und Volksinitiativen für eine frühzeitige Ernsthaftigkeitsprüfung aus, die zum einen über eine Unterschriftensammlung von 0,5 Prozent der stimmberechtigen Bürgerinnen und Bürger realisiert werden solle. Zum anderen sei mit Blick auf die Verfassungssouveränität auch eine verfassungsrechtliche Prüfung der Abstimmungsinhalte notwendig, so Kranenpohl.

Der Vortrag von Andreas Schäfer (Humboldt-Universität zu Berlin) befasste sich in analytisch-empirischer Weise mit dem Spannungsverhältnisse zwischen Deliberation und Öffentlichkeit in Entscheidungsprozessen des Deutschen Bundestags. Der zentraler Befund seiner auf Basis von Leitfadeninterviews mit Abgeordneten vorgenommenen Analyse: Nicht die öffentliche Arena des Parlamentsplenums, sondern die nicht-öffentliche Arkanbereiche der parlamentarischen Arbeit befördere den deliberativen Diskurs zwischen den Abgeordneten des Deutschen Bundestags.

Unter der Frage „Wer hat Angst vor Abgeordnetenwatch?“ untersuchte Dr. Aaron Buzogány (Freie Universität Berlin) empirisch die Transparenzforderungen und Responsivität im Bundestag. Ausgehend von der Beobachtung, dass Abgeordnete auf der Onlineplattform abgeordnetenwatch.de in unterschiedlichem Umfang auf die verschiedenen Fragen der Wählerinnen und Wähler antworten, versuchte Buzogány mögliche Erklärungsfaktoren hierfür auszumachen. Dabei kam er zu dem Schuss, dass offenbar der Dualismus von Oppositions- und Regierungspartei eine Rolle spiele. Ob die Responsivität von Politikern auf Abgeordetenwatch tatsächlich von der „Legislativity“ abhängt, müsse weiter empirisch geprüft werden, so Buzogány.

Zum Abschluss des dritten Panels blickte Dr. Eva Krick (Humdoldt-Universität zu Berlin) auf die Partizipationspotenziale von multilateralen Expertengremien. Grundlage ihres empirischen Vergleichs verschiedener multilateral zusammengesetzter Experten- und Beratungsgremien der deutschen Bundesregierung bildete ein zweidimensionales Partizipationskonzept, das die Inklusivität und die Effektivität der Partizipation einbezieht. Die Analyseergab einen Trade-off-Mechanismus, der darin besteht, dass eine Steigerung der partizipativen Inklusivität von Expertengremien sich nachteilig auf deren Effektivität auswirkt. Insgesamt bleibe das Potenzial multilateraler Expertengremien institutionell ungenutzt, konstatierte Krick.

Rückblickend betrachtet leistete die Tagung eine umfassende Kartografie aktueller Frage- und Problemstellungen zum Thema Transparenz und Bürgerbeteiligung. Theoretisch-analytische Innovationen konnten aufgezeigt und methodische Neuerungen diskutiert werden. In nahezu allen Panels wurde deutlich, dass der Regierungsforschung beim Thema Bürgerbeteiligung vielfältige anwendungsorientierte Anschlussmöglichkeiten und interdisziplinäre Verknüpfungsoptionen offen stehen, wie auch der Sektionsvorstand in seinem abschließenden Resümee der Tagung betonte.


Datum der Meldung 03.06.2014 00:00

Bürger ans Zepter? Tagung zur Bürgerbeteiligung

Bürger begehren auf, wenn ihnen Dinge missfallen. Die Bilder vom „Wutbürger“ stellen sich schnell ein, denkt man an die Großbaustelle Stuttgart 21. Doch auch in der Pfalz rühren sich die Gemüter, beispielsweise bei der Frage rund um den Ausbau der B10. Wie sind Bürger in politische Entscheidungsfindungen einzubeziehen? Bilden Transparenz und Bürgerbeteiligung die neuen Parameter des modernen Regierens?

Diese Frage stellen sich Politikwissenschaftler aus dem ganzen Bundesgebiet am 16. und 17. Mai am Campus Landau bei der Tagung der Deutschen Vereinigung für Politische Wissenschaft (DVPW), Sektion „Regierungssystem und Regieren in der Bundesrepublik Deutschland“. UniBloghat vorab mit Manuela Glaab gesprochen, Professorin für Politisches System der Bundesrepublik Deutschland am Campus Landau und Organisatorin der Tagung.

Stuttgart 21, die Rote Flora in Hamburg, Netzausbau. Bürger manifestieren heute ihren Unmut und wünschen sich Beteiligung. Wie wirkt sich dieser Wunsch auf die politischen Akteure aus?

Der öffentlich erzeugte Druck auf die Entscheidungsträger ist groß und kann den politischen Handlungsspielraum maßgeblich verändern. Vor allem bei Großprojekten, deren Planung und Realisierung sich über viele Jahre erstreckt, wird es immer schwieriger, das Gemeinwohlinteresse und Einzelinteressen miteinander zu vereinbaren. Umso wichtiger ist es, die Bürger frühzeitig in Planungsprozesse einzubeziehen und auch in der Phase der Umsetzung ein aktives Beteiligungsmanagement zu betreiben, z.B. indem Informations- und  Konsultationsangebote gemacht werden.

Die repräsentative Demokratie, die eine Beteiligung der Wähler im Vierjahresrhythmus lediglich durch den Gang an die Urne vorsieht – ist das noch zeitgemäß?

Die repräsentative Demokratie hat durchaus ihre Vorteile. Die Beteiligung an Wahlen ist immer noch die Form der Partizipation, die das Prinzip „one man, onevote“ am besten zu verwirklichen vermag. Denn an einer Wahl teilzunehmen, verlangt vom Einzelnen keinen hohen Aufwand. Zudem erfordert die Bearbeitung komplexer Probleme eine hohe fachpolitische Kompetenz, die von den gewählten Abgeordneten eher zu erwarten ist als vom „Durchschnittsbürger“.Aber die repräsentative Demokratie lässt sich um Elemente der direkten Demokratie ergänzen, um so den Beteiligungswünschen der Bürgerinnen und Bürger besser gerecht zu werden.

In einigen Bundesländern wie Bayern sind Bürgerentscheide gängiges politisches Mittel. Wäre es nicht sinnvoll, diese Möglichkeit auch auf Bundesebene im Sinne von mehr Demokratie einzusetzen?

Zunächst einmal ist richtig, dass Instrumente der direkten Demokratie auf Länderebene in Deutschland inzwischen flächendeckend existieren, wenn auch mit unterschiedlichen Regelungen im Detail. Die hier gemachten Erfahrungen sind insgesamt positiv, in Bayern sind Bürger- und Volksentscheide fast schon selbstverständlich. Wenn es um die Einführung direktdemokratischer Elemente auf nationaler Ebene geht, sollten aufgrund der weiterreichenden Kompetenzen des Bundes die Anwendungsbereiche und die konkrete Ausgestaltung der Verfahren genau bedacht werden.

Welche Vor- und Nachteile sehen Sie in einer Bürgerbeteiligung?

Nicht zu unterschätzen ist, dass die neuen, konsultativen Formen der Bürgerbeteiligung  zu besseren Problemlösungen führen können, wenn die Bürgerinnen und Bürger ihr vielfältiges, erfahrungsbasiertes Wissen einbringen. Zudem trägt die aktive Beteiligung an der Konsensfindung oftmals zu einer höheren Akzeptanz der getroffenen Entscheidung bei. Allerdings wissen wir aus der Forschung auch, dass sich die sogenannten ressourcenstarken Teile der Bevölkerung – also diejenigen, die über eine höhere Bildung und einen hohen sozio-ökonomischen Status verfügen – überdurchschnittlichan solchen Formaten beteiligen. Die Partizipationschancen sind somitsozial ungleich verteilt.Elemente der direkten Demokratie können die Bürger ebenfalls aktivieren. Da es letztlich um ein Ja oder Nein geht, kommt es darauf an, im Vorfeld von Abstimmungen umfassend zu informieren und den Dialog zu suchen. Insgesamt kann dies zu einer lebendigeren Demokratie beitragen.

Kerstin Theilmann

Veröffentlicht am 14. Mai 2014

Studentische Exkursion nach Berlin zur Konferenz „Das Hochamt der Demokratie. Wahlkampfstrategien 2013“ in der Heinrich-Böll-Stiftung, 10-12.6.2013

Von Sven Wenzel, Tobias Törkott und Daniel Reichard

Drei Monate vor der Bundestagswahl 2013 diskutierten die Wahlkampf-Strategen der Parteien, deren beauftragte Werbeagenturen, Berater sowie führende deutsche Politik- und Kommunikationswissenschaftler in Berlin über den aktuellen Wahlkampf. Im Zentrum der Diskussionen um „Das Hochamt der Demokratie. Wahlkampfstrategien 2013“, so der Titel der zweitätigen Konferenz im Kongresszentrum der Heinrich-Böll-Stiftung, standen vor allem die Strategien der Parteien. Für neun Studierende des Campus Landau, die im Rahmen einer von Frau Professor Manuela Glaab und deren Wissenschaftlichen Mitarbeiter, Daniel Reichard, organisierten Exkursion an der Veranstaltung teilnahmen , stand dabei letztlich eine große Erkenntnis zu Buche: Der scheinbar übermächtigen Kanzlerin wird im Bundestagswahlkampf 2013 wohl nur schwer beizukommen sein.

 

Welchen Stellenwert Wahlen in der repräsentativen Demokratie einnehmen reflektierte Prof. Dr. Ulrich Sarcinelli, Politikwissenschaftler und ehemaliger Vizepräsident der Universität Koblenz-Landau, zum Auftakt der von Prof. Dr. Thomas Leif (Universität Koblenz-Landau), Prof. Dr. Manuela Glaab (Universität Koblenz-Landau) und Prof. Dr. Thorsten Fass (Universität Mainz) geleiteten Konferenz. Gleich am ersten Konferenztag stand auch die von den Studierenden mit besonderer Spannung erwartete Paneldiskussion der Partei-Strategen auf dem Programm. Die zuvor von PD Dr. Ralf Tils (APOS) vorgenommene Analyse der strategischen Ausgangslage der einzelnen Parteien steigerte noch die Erwartungen, einige Schlaglichter auf zentrale Kommunikationsstrategien durch deren Wahlkampfmanager zu erhalten. Wenngleich diese vereinzelt erfüllt wurden, verweilten die Partei-Strategen doch überwiegend im Allgemeinen und setzten eher kleine Nadelstiche gegen den politischen Gegner. Verständlich, dass die Wahlkampfmacher sich nicht allzu tief in die Karten schauen lassen wollten, steht die heiße Wahlkampfphase doch erst noch bevor. So diskutierten die Wahlkampfmanager Hans-Roland Fäßler (SPD), Robert Heinrich (Bündnis 90/Die Grünen), Dennis Schmidt-Bordermann (FDP), Matthias Höhne (Die Linke), Salamon Reyes (Piratenpartei) und Peter Radunski, der nach der Absage von Simone Großner für die CDU auf dem Podium Platz nahm, denn auch eher über aktuelle Trends der Wahlkampfkommunikation und weniger über spezifische strategische Überlegungen im gegenwärtigen Kampagnenmanagement ihrer Partei. Natürlich gehe es um Glaubwürdigkeit und größtmögliche Bürgernähe, stimmten alle überein.

Es ist vor allem Peter Radunski, das alte „Schlachtross“, wie Moderator Thomas Leif ihn nennt, der für Kurzweil und markige Aussagen sorgt. „Die CDU hat Merkel, Merkel, Merkel – aber noch kein Konzept“, erläuterte der frühere Wahlkampfmanager der Christdemokraten. Er könne sich an keinen CDU-Kandidaten erinnern, „der so außerhalb jeder Konkurrenz lief“ wie die Kanzlerin. Die CDU konzentriere sich nahezu ausschließlich auf die Person der Bundeskanzlerin. Die Leitlinie laute: Inhaltliche Zurückhaltung, keine Angriffsflächen bieten, die politischen Gegner so gut es geht ignorieren und zugleich populäre Themen der Konkurrenten übernehmen. Wie man dieser Strategie der asymmetrischen Demobilisierung begegnen möchte, blieben die Wahlkampfmacher der anderen Parteien weitgehend schuldig.

Dessen ungeachtet waren sich die Wahlkampfmacher schnell darüber einig, dass es die Wechsel- und Nichtwähler zu erreichen gelte – offline wie online. Neben den üblichen Großveranstaltungen und der Nutzung aller verfügbaren Kommunikationskanäle im Internet setzt dabei insbesondere die SPD in den kommenden Wochen der heißen Wahlkampfphase auf Hausbesuche.

Die möglichen koalitionspolitischen Gedankenspiele am Wahlabend und den Tagen danach wurden am Nachmittag des ersten Konferenztages durch Professor Werner Weidenfeld von der LMU München ebenso vertieft wie die Frage nach der Rolle der Demoskopie in Wahlkämpfen, die Richard Hilmer von Infratest dimap ins Zentrum seines Vortrags stellte. Mit einigen berufspraktischen Einblicken in die Gegnerbeobachtung und das in Deutschland eher moderat angewandte „negative campaigning“ rundete Dr. Frank Wilhelmy, Referent im Willy-Brandt-Haus, das Programm ab, bevor Professor Gerd Mielke, Parteienforscher an der Universität Mainz, den ersten Konferenztag bilanzierte.

Zum Auftakt des zweiten Konferenztages rückte noch einmal das Kampagnen-Design in den Fokus, nahmen mit Dr. Lutz Meyer (Blumberry, CDU), Karsten Göbel (Super J+K, SPD), Hans-Hermann Langguth (Zum Goldenen Hirschen, Bündnis 90/Die Grünen), Armin Reins (reinsclaasen, FDP) und Volker Ludwig (DiG/Plus GmbH, Die Linke) die Chefs der von den Parteien beauftragten Werbeagenturen auf dem Podium Platz. Insbesondere die Ausführungen von Dr. Lutz Meyer lieferten interessante Hinweise auf einige kommunikationsstrategische Leitlinien der Kampagne der Christdemokraten. Die CDU, so Meyer, solle in Abgrenzung zur politischen Konkurrenz als die letzte verbliebene echte Volkspartei stilisiert, dargestellt und kommuniziert werden. Wie diese Überlegung in Slogans, Plakaten und Spots zu übersetzen sein wird, blieb allerdings weitgehend offen. Nicht offen blieb hingegen die Frage nach den Wahlkampfetats der Parteien. Während die SPD in Bezug auf die Zustimmungswerte bei der „Sonntagsfrage“ noch Luft nach oben hat, nimmt sie beim Wahlkampfetat die Spitzenposition ein. 23 Millionen Euro nehmen die Sozialdemokraten in die Hand, um die Rückkehr auf die Regierungsbank zu schaffen. Das sind sechs Millionen Euro weniger als noch 2009. Auf dem Niveau des letzten Bundestagswahlkampfes bleibt die CDU mit einem Budget von maximal 20 Millionen Euro. Im mittleren einstelligen Millionenbereich pendeln sich die Wahlkampfbudgets von FDP (4 Mio.), Grüne (5,5 Mio.) und der Linkspartei (4,5 Mio.) ein. Weit abgeschlagen sind die Piraten mit einem Wahlkampf-Etat von rund 400.000 Euro.

Angesichts eines aufgrund der vergangenen Obama-Kampagnen allenthalben konstatieren Bedeutungsgewinns des Web 2.0 als Kampagneninfrastruktur wurde der Themenkomplex „Social Media im Wahlkampf“ im weiteren Verlauf des zweiten Konferenztages in den Mittelpunkt gestellt. So machte etwa Professor Thorsten Faas von der Universität Mainz Möglichkeiten und Grenzen des Einsatzes von Social Media in der Wahlkampfkommunikation deutlich, indem er auf die soziodemographischen Eckdaten und Nutzungsmuster der Internetnutzer verwies.

Obgleich das Internet in Wahlkämpfen zweifelsohne an Relevanz gewonnen hat, bildet das Fernsehen weiterhin den zentralen Kommunikationskanal medialer Kampagnenführung. Als Kristallisationspunkt dieses Befunds haben die TV-Duelle zwischen den Kanzlerkandidaten der beiden Großparteien zu gelten, deren Rolle und Bedeutung Professor Carsten Reinemann von der LMU München gegen Ende der Konferenz eingehender beleuchtete. In Bezug auf die Frage, welche Effekte TV-Duelle auf Wähler und Wahlentscheidungen haben, lasse sich empirisch unter anderem zeigen, dass TV-Duelle die Kriterien verändern, nach denen die Kandidaten durch die Wähler bewertet werden. Bleibt also abzuwarten, welche Effekte das TV-Duell zwischen Angela Merkel und Peer Steinbrück auf die Auseinandersetzung von CDU und SPD haben werden. Große Überraschungen sind angesichts der unumstrittenen Kanzlerinnensympathie gegenwärtig jedoch nur bedingt zu erwarten.


Datum der Meldung 09.07.2013 12:00

„Klick-Aktivismus ist noch nicht alles“: Dr. Ansgar Klein über politische Beteiligung und Bürgerengagement in Deutschland

Fragen der politischen Partizipation und Bürgerbeteiligung erfahren im wissenschaftlichen wie publizistischen Diskurs seit einiger Zeit erhebliche Aufmerksamkeit. Bürger- und Protestbewegungen insbesondere gegen Großprojekte wie „Stuttgarter 21“ wirken als Katalysatoren für ein gesteigertes Verlangen nach mehr direkten politischen Partizipationsmöglichkeiten seitens der Bürgerinnen und Bürger. 81 Prozent der deutschen Bevölkerung wünschen sich den Ausbau politischer Beteiligungs- und Mitsprachemöglichkeiten, so eine repräsentative Meinungsumfrage der Bertelsmann Stiftung aus dem Jahr 2011. Entsprechend diskutieren Wissenschaft und Öffentlichkeit, wie diese Partizipationswünsche aufgenommen werden können und welche Formen der direkten Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger im politischen Prozess entwickelt werden sollten.

Diese und weitere Fragen waren unter anderem Gegenstand eines Gastvortrags von Dr. Ansgar Klein, der auf Einladung von Professor Manuela Glaab, Abteilung Politikwissenschaft am 24. Juni am Campus Landau zum Thema „Politische Beteiligung und Bürgerengagement in Deutschland: Erfahrungen und Perspektiven“ sprach. Der Sozialwissenschaftler, Geschäftsführer des Bundesnetzwerks Bürgerschaftliches Engagement und Mitbegründer sowie Mitherausgeber des Forschungsjournals Soziale Bewegungen ist ausgewiesener Experte zu Fragen sozialer wie politischer Partizipation. Unter Rückgriff auf seine berufspraktischen Erfahrungen auf dem Gebiet der Bürgerbeteiligung und deren demokratietheoretischen Verortung leuchtete Ansgar Klein den vielschichtigen Komplex der politischen Beteiligung und des bürgerschaftlichen Engagements umfassender aus. Die repräsentative Demokratie müsse flankiert und ergänzt werden durch Elemente der deliberativen und assoziativen Demokratie, so die Kernthese von Ansgar Klein. Mit anderen Worten: Klein fordert eine stärkere Einbindung von zivilgesellschaftlichen Akteuren insbesondere im politischen Meinungs- und Willensbildungsprozess als offener und breit angelegter argumentativer Austausch von Informationen, Auffassungen und Begründungsmustern. Dass die neuen Kommunikations- und Informationstechnologien des Internet in Form des sogenannten Web 2.0 eine nicht unbedeutende Rolle spielten, stellt Klein nicht Abrede. Politische Beteiligung realisiere sich aber nicht allein im „Klick-Aktivismus“. Vielmehr brauche es ein reales Engagement für bestimmte Themen in dem Sinne, dass Bürgerinnen und Bürger vor Ort Anliegen für das politischen Gemeinwesen einbringen. Wie Bürgerinnen und Bürger zu dieser und anderen Formen der Beteiligung motiviert werden können, war Gegenstand der im Anschluss an den Vortrag folgenden Diskussion mit Studierenden des Fachs Politikwissenschaft. Einen zentralen Ansatz erkennt Ansgar Klein hierbei in „aufsuchenden Formaten der Engagement- und Partizipationsförderung“, die mit konkreten Themen aus der unmittelbaren Lebenswelt der Bürgerinnen und Bürger in Zusammenhang zu bringen seien. Obgleich damit die kommunale Ebene in den Vordergrund partizipativer Planungs- und Entwicklungsprozesse rücke, dürfe die europäische Ebene schon aufgrund ihrer entscheidungspolitischen Rückwirkung auf die Kommunalpolitik nicht aus dem Blick verloren werden, mahnte Klein zum Ende der Diskussion. So gehe es künftig auch darum zu überlegen, wie Bürgerschaft und organisierte Zivilgesellschaft in die komplexen politischen Entscheidungsprozesse der Europäischen Union einzubinden sind. Ein Hinweis, den es angesichts bestehender Entfremdungstendenzen zwischen den Institutionen der Europäischen Union und den Bürgerinnen und Bürgern in den Mitgliedstaaten – nicht zuletzt mit Blick auf die 2014 bevorstehenden Europawahlen - ernst zu nehmen gilt.


Datum der Meldung 30.06.2013 14:00

Gastvortrag am 17.12.2012 von Dr. Viola Neu, Konrad-Adenauer-Stiftung, Berlin, zum Thema „Volksparteien in der Krise? Die Mitgliederentwicklung in der Analyse“ auf Einladung von Prof. Dr. Manuela Glaab

Im Rahmen des von Dr. Manuela Glaab an der Universität Koblenz-Landau geleiteten Masterseminars "Bürger und politischer Kontext" referierte Dr. Viola Neu am 17. Dezember 2012 zum Thema: "Volksparteien in der Krise? Die Mitgliederentwicklung in der Analyse". Die Leiterin des Teams Empirische Sozialforschung bei der Konrad-Adenauer-Stiftung in Berlin ist durch zahlreiche Publikationen als Parteienforscherin und Politikberaterin ausgewiesen. Insbesondere hat sie eine Mitgliederstudie der CDU durchgeführt. Daher war die zentrale Frage des Vortrags, ob man von einem Niedergang bzw. einer Krise der Volksparteien sprechen kann? Um dies zu beantworten, zeigte Neu zwei Fragenstellungen auf, die sie anhand der präsentierten Umfragedaten analysierte.

Zunächst wurde gefragt, inwiefern Parteien eine gesellschaftliche Transmissionsfunktion erfüllen? Hier sieht die Referentin die Herausforderungen an die Parteien darin, den Wandel in der Gesellschaft auch in ihre Strukturen hineinzutragen, indem sie lernen, mit diesen Veränderungen umzugehen und als Anstoß für Reformen zu nutzen. Sie sieht die Parteienlandschaft daher auch weniger in einer Krise als vielmehr in einem Wandlungsprozess, da sich die Anhängerschaft vom Gedanken der Freiwilligkeit abwendet und eine ausgeprägte Dienstleistungsmentalität entwickelt.

Die zweite Frage lautete, inwieweit die Volksparteien heute noch als Milieuparteien zu verstehen sind? Anhand von Mitgliederkarteien und Mitgliederbefragungen kann auf diese Frage teilweise eine Antwort gegeben werden. Jedoch sieht Neu vor allem einen deutlichen Unterschied zwischen den Mitgliedern einer Partei und den Wählern dieser Partei. Dies zeige sich deutlich in den unterschiedlichen Anschauungen, ebenso wie in der Altersstruktur der Parteien oder der Engagementbereitschaft. Wobei sie hier betont, dass ein Mitgliederschwund nicht automatisch auch eine Abnahme parteiinterner Aktivitäten bedeutet. Vielmehr beobachtet sie einen neuen Mitgliedertypus, der engagiert, ressourcenstark und pragmatisch ist.

Im Anschluss an den sehr lebhaften und hoch aktuellen Vortrag gab es noch eine Diskussionsrunde in der die Studierenden ihre Fragen stellen konnten, die Dr. Viola Neu ebenso präzise wie anschaulich beantwortete.


Datum der Meldung 02.01.2013 12:00