Lecture Series
Die von Prof. Dr. Manuela Glaab geleitete Arbeitseinheit „Politisches System der Bundesrepublik Deutschland“ misst dem Praxisbezug politikwissenschaftlicher Forschung einen hohen Stellenwert bei. Ziel ist es daher, Forschungsthemen, Studieninhalte und Berufspraxis miteinander zu verknüpfen. Dazu werden regelmäßig externe ExpertInnen und Kooperationspartner zu Vorträgen und Gesprächsrunden nach Landau an die RPTU eingeladen, um den Dialog zu den Themenschwerpunkten der Arbeitseinheit zu führen.
Die im Wintersemester 2014/15 aufgenommene Lecture Series zu aktuellen Fragen der Politikforschung will diesem Ansatz am Institut für Sozialwissenschaften einen Rahmen geben. Im Austausch mit Gästen aus Wissenschaft, Politik, Wirtschaft und Gesellschaft soll der Brückenschlag zwischen Theorie und Praxis ermöglicht werden. Die Veranstaltungen der Lecture Series geben den Studierenden Impulse zur Berufsorientierung und bieten ihnen eine Gelegenheit, Einblick in aktuelle Forschungsprojekte und laufende Debatten zu nehmen.
Aktuelles:
Zwischen Konsens und Entschleunigung? Die Öffentlichkeitsbeteiligung im Standortauswahlgesetz
Gastvortrag von apl. Prof. Dr. Ulrich Smeddinck im Rahmen der Lecture Series
Bürgerdialoge und Bürgerräte erhalten in Deutschland seit einigen Jahren wachsenden Zuspruch. „Demokratische Innovationen“ wie diese bilden auch einen Forschungsschwerpunkt der Arbeitseinheit „Politisches System der Bundesrepublik Deutschland“ an der RPTU, siehe etwa eine jüngst vorgelegte Studie zur Expertenbeteiligung in deliberativen Beteiligungsverfahren. Auch apl. Prof. Dr. Ulrich Smeddinck vom Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse (ITAS) in Karlsruhe forscht seit Jahren zur Frage, wie Bürgerinnen und Bürger besser beteiligt werden können. Am 25. Juni 2024 kam er auf Einladung von Prof. Dr. Manuela Glaab nach Landau, um über die komplexen Herausforderungen der Endlagersuche für hochradioaktive Abfälle in Deutschland zu sprechen: „Zwischen Konsens und Entschleunigung? Die Öffentlichkeitsbeteiligung im Standortauswahlgesetz“ lautete der Titel seines Gastvortrags im Rahmen der Lecture Series zu aktuellen Fragen der Politikforschung.
Zu Beginn seines Vortrags bot Smeddinck einen Überblick zur Entwicklung der Endlagersuche in Deutschland. Er erläuterte, dass das 2013 erlassene und 2017 novellierte Standortauswahlgesetz (StandAG) ein partizipatives, wissenschaftsbasiertes und transparentes Verfahren zur Bestimmung eines geeigneten Standorts für die Endlagerung hochradioaktiver Abfälle vorsieht. Im Gegensatz zu früheren Verfahren betone das neue Gesetz die frühzeitige Einbindung der Öffentlichkeit. Das Standortauswahlverfahren läuft in drei Phasen ab: die Identifikation von Teilgebieten, die übertägige Erkundung und schließlich die untertägige Erkundung der Standorte. Der finale Schritt umfasst den Standortvorschlag und die endgültige Standortentscheidung. Derzeit, so erklärte Smeddinck weiter, befasst sich das Verfahren mit der Reduzierung der ursprünglich 90 Teilgebiete auf eine kleinere Anzahl zu erkundender Standorte. Als eine große Herausforderung habe sich zudem die Verschiebung der ursprünglich für 2031 vorgesehenen Standortentscheidung auf spätere Zeitpunkte wie 2046 oder sogar 2068 erwiesen. Der Referent hob hervor, wie wichtig es sei, aus historischen Erfahrungen zu lernen und das Vertrauen zwischen Politik, Energiewirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft zu stärken.
Die Öffentlichkeitsbeteiligung spielt im laufenden Standortauswahlverfahren eine zentrale Rolle. Ziel sei es, eine Lösung zu finden, die von einem breiten gesellschaftlichen Konsens getragen werde und somit von den Betroffenen akzeptiert werden könne. Dies erfordere einen dialogorientierten Prozess, bei dem Bürgerinnen und Bürger frühzeitig und umfassend informiert und in die Entscheidungsprozesse einbezogen würden. Die Akteure des Verfahrens seien vielfältig: Die Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) führe das Verfahren durch, während das Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE) die wissenschaftliche Basis und Transparenz gewährleiste und die Öffentlichkeitsbeteiligung organisiere. Das Nationale Begleitgremium (NBG) spiele eine vermittelnde Rolle, um Vertrauen in das Verfahren zu ermöglichen.
In der anschließenden Diskussionsrunde mit Studierenden wurden mehrere wichtige Aspekte thematisiert, darunter die Berücksichtigung der Nachbarländer im Gesetz. Es wurde auch gefragt, ob Faktoren wie die Bevölkerungsdichte bei der Standortauswahl berücksichtigt werden oder ob rein geologische Entscheidungen im Vordergrund stehen. Zudem wurde diskutiert, an welcher Stelle das Bürgerbeteiligungsverfahren optimal einsetzen sollte. Schließlich wurde die Möglichkeit angesprochen, die Verteilung des Atommülls auf europäischer Ebene zu regulieren. Der Referent betonte abschließend noch einmal die Bedeutung von Lernprozessen und kontinuierlicher Evaluierung innerhalb des Verfahrens. Eine umfassende Informationsplattform sei entscheidend, um allgemeines Lernen zu ermöglichen und die Zukunftsorientierung der gesetzlichen Regelungen zu gewährleisten.