Lecture Series - Archiv
Vortrag von Professor Dr. Karl-Rudolf Korte in Landau voller Erfolg

„Guten Tag, liebe Fans der Bundespräsidenten“, begrüßte Professor Dr. Karl-Rudolf Korte bestens gelaunt das gespannt wartende Publikum im Audimax auf dem Campus Landau. Der renommierte Politikwissenschaftler (Universität Duisburg-Essen/ NRW School of Governance) sprach am 3. Mai 2022 auf Einladung von Professorin Dr. Manuela Glaab, Abteilung Politikwissenschaft der Universität Koblenz-Landau, zum Thema „Gewissheitsschwund: Die Provokation der Freiheit und das Amt des Bundespräsidenten“. Rund 90 Interessierte, eine gute Mischung aus Studierenden, Universitätsmitarbeiter*innen und interessierten Bürgerinnen und Bürgern, folgten aufmerksam dem Vortrag des auch aus den Medien bekannten Gastreferenten.
Korte legte den Fokus seiner Ausführungen zunächst auf die besondere außenpolitische Rolle des Bundespräsidenten. Mit Blick auf die komplexen Netzwerke der zwischenstaatlichen Diplomatie und die vielen Krisenherde auf der Welt sagte er: „Der Bundespräsident ist immer in der Lage, ein internationaler Türöffner zu sein.“ Beispielhaft führte er diese These anhand der proaktiven Rolle Joachim Gaucks bei der Münchener Sicherheitskonferenz im Jahr 2014 sowie der viel beachteten Reise des damaligen Bundespräsidenten Richard von Weizäcker im Jahr 1987 nach Moskau aus. Generell legte Korte während seines gesamten Vortrags großen Wert darauf, seine Ausführungen mit Beispielen aus der praktischen Politik zu untermauern. Dies wurde auch sichtbar, als er die Rolle des Bundespräsidenten gegenüber jener der Bundeskanzlerin bzw. des Bundeskanzlers abgrenzte: „Denken Sie nur an das ‚Paar‘ Joachim Gauck und Angela Merkel: Hier ist es doch interessant, wie Gauck mit seiner Emotionalität im Vergleich zur für ihre Ruhe und Rationalität bekannten Angela Merkel wahrgenommen wurde“, sagte Korte direkt an das Publikum gewandt. Dagegen seien der amtierende Bundespräsident, Frank-Walter Steinmeier, sowie der amtierende Bundeskanzler, Olaf Scholz, „doch viel ähnlichere Typen“, führte er aus.
Unabhängig von Personen – mit Blick auf die Ausfüllung des Amtes formulierte Korte einen klaren Anspruch: „Ich erwarte persönlich, dass jeder Inhaber dieses Amt aktiv nutzt und etwas daraus macht.“ Wie das in der Praxis aussehen könnte, erklärte er im Anschluss anhand von vier konkreten Möglichkeiten: Demnach könne der Bundespräsident erstens verstärkt als „Meinungsbildner“ auftreten. Gerade in der aktuellen Transformationsphase vieler Lebensbereiche sei die Frage besonders zentral, wie möglichst alle BürgerInnen in den gesellschaftlichen Diskurs eingebunden werden könnten. Die zweite Kernaufgabe skizzierte Korte unter dem Schlagwort des „Versöhnungsstifters“. Insbesondere mit Blick auf die mannigfaltigen Auswirkungen der Corona-Pandemie sagte er: „Es kann auch eine wichtige Aufgabe für den Bundespräsidenten sein, das Gemeinwesen wieder als Ganzes zusammenzuführen.“ Die dritte Möglichkeit zum Amtsgebrauch sieht Korte als „Zivilitätswächter“ – der Bundespräsident sei qua seines Amtes in einer Schlüsselrolle, wenn es darum geht, die „demokratische Zivilität“ in der Gesellschaft zu erhalten und zu fördern. Er könne möglicherweise verstärkt als eine Art „Anti-Echokammer“ wirken, erläuterte er.
Die vierte Rolle sieht der Politikwissenschaftler mit Blick auf die großen künftigen gesellschaftlichen Aufgaben als „Zukunftsdenker und Visionär“. Hier laute die entscheidende Frage: „Welche Möglichkeiten haben wir, jederzeit maximal handlungsfähig zu sein, wenn irgendetwas Unvorhergesehenes passiert?“, so Korte.
In der anschließenden Diskussion unter der Leitung von Professorin Manuela Glaab zeigte sich, wie vielfältig Kortes Ausführungen durch das Publikum aufgenommen und kommentiert wurden. Es wurde deutlich, dass die Frage nach der zentralen Rolle des Bundespräsidenten – insbesondere angesichts der aktuellen und zukünftigen gesamtgesellschaftlichen Herausforderungen – auch von den Zuhörerinnen und Zuhörern als Schlüsselfrage betrachtet wurde. Zum Abschluss richtete sich der Referent mit einem Appell direkt an sein Publikum: „Fordern Sie etwas von diesem Amt und der Person, die dieses Amt bekleidet“, ermutigte er seine Zuhörerinnen und Zuhörer.
Bericht und Foto: Karsten Schäfer
Datum der Meldung 10.05.2022 00:00
Politikmanagement unter Stress – Regieren in Zeiten der Covid-19-Pandemie: Gastvortrag von Dr. Martin Florack

Seit über einem Jahr wird die Nachrichtenlage von der Covid-19-Pandemie dominiert, die alle Lebensbereiche - auch den universitären Alltag – tiefgreifend verändert hat. Für die Regierungsforschung ist von besonderem Interesse, wie das Krisenmanagement die Regierungsagenda auf Bundes- wie auch Landesebene bestimmt und die Entscheidungsfindung in informale Verhandlungsarrangements verlagert. Den damit zusammenhängenden Fragen widmete sich Dr. Martin Florack am 01. Juni 2021 in seinem digitalen Gastvortrag unter dem Titel „Politikmanagement unter Stress – Regieren in Zeiten der Covid-19-Pandemie“. Florack ist Regierungsdirektor beim Landtag Rheinland-Pfalz und leitet dort das Projekt "Reallabor Demokratie". Zudem ist er Fellow der NRW School of Governance an der Universität Duisburg-Essen sowie Mitherausgeber und Autor der kürzlich erschienenen Studie "Coronakratie. Demokratisches Regieren in Ausnahmezeiten" (Campus: Frankfurt a.M./New York 2021). Er folgte der Einladung von Prof. Dr. Manuela Glaab, um im Rahmen der von ihr am Campus Landau regelmäßig organisierten Lecture Series zu aktuellen Fragen der Politikforschung zu sprechen.
Zu Beginn seines Vortrags vor Studierenden der Sozial- und Kommunikationswissenschaften stellte Florack die These auf, dass aus der Wellenbewegung der Pandemie auch eine Wellenbewegung der Politik resultiere. Kennzeichnend sei hierfür der Umgang mit Unsicherheit und Ungewissheit, der in der Pandemiesituation eine Hauptaufgabe der Politik darstelle. Zusätzlich werde das Politikmanagement durch die anstehende Bundestagswahl beeinflusst. Von dieser Ausgangsbeobachtung aus widmete sich Florack verschiedenen Forschungszugängen zur Analyse des aktuellen Politikmanagements, wobei er das Konzept der Pfadabhängigkeit in den Mittelpunkt rückte. Denn die in der Krise eingeschlagenen „Pfade“, wie beispielsweise ein beschleunigtes Gesetzgebungsverfahren oder die Einberufung von Ministerpräsidentenkonferenzen, seien keineswegs vollkommen neu.
Auch bei der Krisenbegrifflichkeit sind Florack zufolge „Pfadabhängigkeiten“ erkennbar. So wecke der Begriff „Krise“ bei allen Menschen bestimmte Assoziationen, wenn auch in unterschiedlicher Weise. Allgemein werde davon ausgegangen, dass exogene Schocks in Krisen dazu führten, die nach längeren stabilen Phasen vorherrschenden „Pfadabhängigkeiten“ zu überwinden. Der Begriff der „Corona-Krise“ diene folglich dazu, das Verlassen der etablierten Pfade zu legitimieren und politische Maßnahmen zu rechtfertigen. Florack widersprach allerdings der These, dass die Pandemie wie ein exogener Schock über Deutschland hereingebrochen sei und einen umfassenden Politikwandel herbeigeführt habe. Vielmehr sei auf bereits bewährte Policy-Instrumente zurückgegriffen worden, wie das Beispiel des Kurzarbeitergeldes demonstriere: Dieses kam schon bei früheren Krisen zum Einsatz und musste nur „aus der Schublade gezogen werden“. Darüber hinaus wies Florack darauf hin, dass die Krisenrhetorik zur Normalität geworden sei, da eine Krise der anderen folge. Die Gefahr bestehe dabei darin, dass politische Entscheidungen in einer Krise oftmals auf technokratischen Expertisen beruhen würden. Dies sei allerdings nicht das Wesen von Politik, die sich vor allem durch Handlungsalternativen und deren Abwägungen charakterisiere.
Abschließend widmete sich Florack noch den Besonderheiten des Wahljahres 2021. Die mit der Altersverteilung der Wählerschaft einhergehende geringere Gewichtung der Interessen der unter 40-Jährigen stieß bei den studentischen Zuhörern des Vortrags auf besondere Aufmerksamkeit. Dieses Problem werde durch die heterogenen Interessen von Studierenden und durch die Tatsache, dass viele Schüler*innen noch nicht wahlberechtigt sind, noch verschärft. Florack wies zudem auf die eklatanten Unterschiede der Parteienwettbewerbsstrukturen auf Bundes- und Länderebene hin. Durch die Vielfalt der Koalitionen auf Länderebene herrsche dort ein komplexes Parteiensystem vor, dem der Bund momentan noch hinterher hänge. Ein Ende der „Großen Koalition“ sei deshalb wahrscheinlich. Die Herausforderungen der Pandemie überlagerten weiterhin den Wahlkampf, was zwei alternative Botschaften nahelege: „Sicherheit“ versus „Erneuerung“. Jedoch sei nicht klar abzusehen, wie sich die Pandemie-Lage bis zur Bundestagswahl entwickelt und ob zu diesem Zeitpunkt andere Themen relevanter seien. Bevor sich Florack den Fragen des digitalen Publikums stellte, machte er daher klar, wie schwierig es für die Forschung aktuell ist, Hypothesen aufzustellen und Prognosen abzugeben.
Datum der Meldung 11.06.2021 00:00
Das Wahljahr 2019 in Deutschland – Ende des bisherigen Parteiensystems? Gastvortrag von Prof. Dr. Ulrich Eith

Das Wahljahr 2019 war ereignisreich: Die Europawahl vom Mai wie auch die Landtagswahlen desselben Jahres geben Anlass zu Diskussionen über den Zustand und die Perspektiven des deutschen Parteiensystems. Den damit zusammenhängenden Fragen widmete sich Prof. Dr. Ulrich Eith (Universität Freiburg) in seinem Gastvortrag unter dem Titel „Das Wahljahr 2019 in Deutschland – Ende des bisherigen Parteiensystems?“ an der Universität Koblenz-Landau. Der Direktor des Studienhaus Wiesnek (Buchenbach) und Geschäftsführer der „Arbeitsgruppe Wahlen Freiburg“ war am 02. Dezember 2019 der Einladung von Prof. Dr. Manuela Glaab gefolgt, im Rahmen der von ihr am Campus Landau regelmäßig organisierten Lecture Series zu aktuellen Fragen der Politikforschung zu sprechen.
Zu Beginn seines Vortrags rief Professor Eith noch einmal die Ergebnisse der Europawahl in Erinnerung, wobei in Deutschland insbesondere die gestiegene Wahlbeteiligung und eine erhöhte Wertschätzung der Europäischen Union auffallend waren. Mit Blick auf die Gewinne und Verluste der Parteien hob Eith die starken Stimmengewinne von Bündnis 90/Die Grünen hervor, die bereits auf den Bedeutungsgewinn des Klimawandels als zentrales politisches Thema hindeuteten. Gleichzeitig habe sich eine weitere Polarisierung zwischen dem Osten und Westen Deutschlands und somit ein Auseinanderdriften der Wählerschaft gezeigt.
Danach ging Eith auf die Landtagswahlen 2019 in Bremen, Brandenburg, Sachsen und Thüringen ein und machte deutlich, dass sich alle Ministerpräsidenten der vorangegangenen Wahlperiode – wenn auch mit Verlusten – behaupten konnten. Die AfD habe zwar gute Ergebnisse erreicht, konnte aber in keinem Bundesland stärkste Kraft werden. Ein markanter Unterschied zur Europawahl werde sichtbar, wenn man die Grünen betrachte: Diese spielten im Gegensatz zur Europawahl bei den Landtagswahlen in Ostdeutschland nur eine nachrangige Rolle. Die Frage sei nun, wie sich die Wahlergebnisse der verschiedenen Parteien erklären ließen. Hierzu ging der Referent auf grundlegende Faktoren ein, etwa die den Parteien zugeschriebenen Problemlösungskompetenz, deren Personal mit Vertrauensbonus oder ein geschlossenes Erscheinungsbild. Es sei zudem wichtig, eine Balance zwischen Stammwählern und Wechselwählern zu finden, also beide Zielgruppen möglichst gut mit dem Wahlprogramm zufrieden zu stellen. Dies könne allerdings Konflikte mit sich bringen, da eine Orientierung der Partei hin zu den Interessen der Wechselwähler, die Stammwähler verärgern könne.
Anschließend setzte sich Professor Eith explizit mit der im Titel des Vortrags formulierten Frage nach dem „Ende des bisherigen Parteiensystems“ auseinander. Dazu argumentierte er, dass es im Konfliktlinienmodell der „Cleavage-Theorie“ eine neue „kosmopolitische vs. nationalistische“ Konfliktlinie gebe: Die „kosmopolitische“ Seite sehe mehr internationale Beziehungen und Zusammenarbeit als Lösung der aktuellen Probleme; die „nationalistische“ Seite setze im Gegensatz dazu auf den Nationalstaat. Die Grünen und die AfD stünden sich auf dieser Konfliktlinie als Antipoden entgegen. Dies sei ein weiterer Faktor für den Erfolg der beiden Parteien und stelle gleichzeitig ein Problem für alle anderen Parteien dar, da diese keine klare Position auf dieser Konfliktlinie besäßen. Diese neue Konfliktlinie sei allerdings nicht die einzige Veränderung im deutschen Parteiensystem, sondern es fände auch eine Neupositionierung fast aller Parteien auf den bekannten Konfliktlinien statt.
Abschließend richtete Professor Eith den Blick nach vorne und erklärte, dass es für die Parteien wichtig sei, eine klare Position zu beziehen, wenn sie Erfolg haben möchten. „Die Wähler wollen gehört werden“ und es müssten klare Grenzen gegen den Rechtspopulismus gezogen werden. Er verband dies mit einem Plädoyer für die Demokratie: „Demokratie kann man auch verlieren“, daher müsse das Bewusstsein für deren Wert gestärkt werden. Bevor sich Prof. Dr. Ulrich Eith den Fragen des zahlreich erschienenen Publikums stellte, beendete er seinen Vortrag mit einem zuversichtlichen Zitat von Karl Popper: „Der Vorzug der Demokratie ist, dass ihre Fehler korrigierbar sind, dass Fortschritt über Fehlschritte möglich ist.“
Datum der Meldung 19.12.2019 00:00
Politikberichterstattung in den USA und Deutschland. Ein Erfahrungsbericht aus „zwei Welten“
Mediale Beschleunigung und politische Polarisierung - „zwei Substanzen, die erst zusammen so richtig toxisch wirken“
