Spring School 2022 – digital

Die sonst meist theoretischen Gegenstände des Studiums einmal praktisch erleben – das ist die Leitidee eines Planspiels. Den Teilnehmenden soll so die Gelegenheit geboten werden, Vernetzungen und Strukturen politischer Prozesse zu erkennen und auf das alltägliche Politik-Geschehen zu übertragen. Dabei müssen sie Entscheidungen treffen, Kompromisse aushandeln und sich mit den Folgen ihres (politischen) Handelns auseinandersetzen.

 

Im Rahmen des im Wintersemester 2021/22 an der Universität Koblenz-Landau angebotenen Masterseminars „Regieren im föderalen Staat: Strukturen, Akteure und Prozesse der Landespolitik“ von Frau Prof. Dr. Manuela Glaab schlüpften die Studierenden für drei Tage in die Rolle eines/r Landtagsabgeordneten. Vom 16. bis 18. März 2022 simulierten diese bei der „Spring School 2022“, die wie bereits in den vergangenen beiden Jahren gemeinsam von der Landtagsverwaltung und der von Professorin Glaab am Campus Landau geleiteten Arbeitseinheit geplant und veranstaltet wurde, einen Gesetzgebungsprozess im rheinlandpfälzischen Landtag. Wie in den bisherigen Ausgaben der Spring School verhandelten die Teilnehmenden über eine erfolgreiche Volksinitiative, die die Abgeordneten mit der Errichtung eines Landesgymnasiums für Hochbegabte beauftragt. Aufgeteilt in fünf realitätsnahe Fraktionen mit einer „Jamaika-Regierungskoalition“ galt es, Mehrheiten zu finden und schließlich ein Gesetz zu verabschieden. Unter den aktuellen Pandemiebedingungen wurde auf das bewährte Online-Format mit einer Symbiose aus der Planspielplattform „Senaryon“ und einer Videokonferenz gesetzt.

 

Presse verleiht Planspielverlauf zusätzliche Dynamik

Nach einer Einarbeitungsphase, in der sich die Teilnehmenden mit dem Szenario und ihrer Rolle vertraut machen konnten, startete das Planspiel am 16. Februar in die Verhandlungen. In Fraktionssitzungen, informellen Verhandlungen, Ausschusssitzungen und einer abschließenden Plenarsitzung wurde nun in dem dreitägigen Planspiel um einen mehrheitsfähigen Gesetzestext gerungen. Vor allem die im digitalen Format neu geschaffene Rolle der Presse verlieh dem Planspiel eine spannende Dynamik. So mussten die Teilnehmenden gleich von Beginn an auf einer weiteren „Bühne“ agieren. Neben den persönlichen Zielen der eigenen Rolle, der Konsens- und Strategiefindung auf Fraktions- und Koalitionsebene und der Arbeit in den Ausschusssitzungen wurden diese zusätzlich von der Presse beobachtet. Gesprächspartner wie auch Aussagen in Interviews und Statements mussten daher mit Bedacht gewählt werden, um kein unerwünschtes Aufsehen zu erregen. Nach einer kurzen Eingewöhnungszeit in die Rolle nahm das Planspiel gleich am ersten Tag Fahrt auf und es wurde intensiv debattiert. Die Meinungen in der eigenen Fraktion wurden ausgelotet und es musste sich auf eine gemeinsame Strategie geeinigt werden.

Der zweite Tag des Planspiels war ebenfalls von intensiven Verhandlungen geprägt. Strategien wurden entwickelt, Kompromisse ausgehandelt und Lösungen gefunden. In den ersten Ausschusssitzungen wurde aktiv am Gesetzesentwurf gearbeitet und Änderungen wurden zur Abstimmung gebracht. Am dritten Tag stand bereits der Höhepunkt des Planspiels bevor. Nachdem die Fraktionen ihre Strategie für die abschließenden Plenarsitzung abgestimmt hatten, konnte dort ein mehrheitlich akzeptierter Gesetzesentwurf beschlossen werden und der (fiktive) Gesetzgebungsprozess fand einen erfolgreichen Abschluss.

 

Bereichert wurde der „Planspiel-Alltag“ auch in diesem Jahr durch einen digitalen Kaminabend mit dem Titel „Krisenkommunikation von Politik und Medien in der Corona-Pandemie – Wegweiser oder Sackgasse?“. Unter der Moderation von Professorin Glaab diskutierten Hendrik Hering, Präsident des rheinlandpfälzischen Landtags, und Matthias Fornoff, Leiter der Hauptredaktion „Politik und Zeitgeschehen“ des ZDF und Moderator des Politbarometers über den Umgang mit den Herausforderungen und das Krisenverständnis in ihren jeweiligen Tätigkeitsfeldern. Anschließend stellten sich beide den Fragen des diskussionsfreudigen Plenums. Einen geselligen Abschluss schaffte eine digitale Weinprobe.

 

„Gut vorbereitet, aber zuerst skeptisch“

Die Planspieltage wurden mit einem gemeinsamen Debriefing abgeschlossen, bei dem das Erlebte noch einmal reflektiert werden konnte. Dabei erhielten die Studierenden zunächst die Möglichkeit, ihre Eindrücke aus den Planspieltagen zu schildern und ein Feedback zum Ablauf zu geben. Es folgte eine gemeinsame Analyse des Planspiels unter der Fragestellung „Was war realistisch, was eher im Bereich der spielerischen Fiktion?“.

Eine Teilnehmerin bekannte offen, ihre Begeisterung habe sich zunächst in Grenzen gehalten, da sie eine Rolle vertreten musste, deren Werte ihren eigenen „nicht im Ansatz“ entsprochen hätten. Gut vorbereitet, aber skeptisch“ startete die Studierende in das Planspiel. Doch das änderte sich im Verlauf des Spiels zunehmend. Positiv überrascht sei sie von der realitätsnahen Umsetzung des Planspiels im digitalen Rahmen gewesen. Durch die enge Taktung der einzelnen Phasen des Planspiels sei man immer wieder unter Zugzwang gekommen, so wie es auch die echten Politiker*innen erleben. Als Opposition habe man mit zusätzlichen Schwierigkeiten arbeiten müssen, da die anderen Fraktionen kaum Interesse für eine Kooperation gezeigt hätten, erläuterte die Studentin. Ein Strategiewechsel der eigenen Fraktion hin zu einer lautstarken, kritisierenden Opposition, die die Presse immer wieder mit Informationen „füttert“, sei daher nötig gewesen. Durch diesen erkannte die Teilnehmerin zudem das Potenzial der eigenen Rolle und konnte sich mehr mit dieser anfreunden. Das Highlight des Planspiels sei die abschließende Plenarsitzung gewesen. Vor allem die Statements der einzelnen Abgeordneten bzw. Fraktionen seien ihr im Gedächtnis geblieben und hätten gezeigt, wie sehr sich die Studierenden am letzten Tag in ihrer Rolle eingelebt hatten. Abschließend beschreibt die Teilnehmerin, sie habe eine authentische Perspektive einer/s Landtagsabgeordneten erhalten und das „Hineinschlüpfen“ in eine derartige Rolle sei eine „immense Bereicherung“ gewesen. Daher habe sie sich vorgenommen, ein solches Planspiel später auch als Lehrerin im eigenen Unterricht umzusetzen.

 

Neuauflage 2023 fest im Visier

Besonders realistisch konnten nach allgemeiner Einschätzung die verschiedenen Interessenskonflikte der einzelnen Abgeordneten abgebildet werden. Auch die eng getakteten Sitzungen und Verhandlungen spiegelten den stressigen Alltag der Abgeordneten wider: Zwischen Fraktionssitzungen, Ausschusssitzungen und informellen Verhandlungen blieb nur wenig Zeit, die eigenen Gedanken zu sortieren und Vorbereitungen zu treffen. Auch die neu hinzugefügte Rolle der Presse verlieh dem Planspiel ein weiteres realitätsnahes Element, so die Studierenden. Wie im echten politischen Leben, mussten öffentliche Aussagen mit Sorgfalt getroffen werden, da diese jederzeit von der Presse in die Öffentlichkeit getragen werden konnten. Ein Unterschied zwischen Planspiel und Realität konnte bei der Konsensorientierung beobachtet werden: Die Planspieler*innen ließen sich schnell auf Kompromisse ein, während die Fronten in der realen Politik teilweise härter sind und sich die inhaltlichen und persönlichen Diskrepanzen stärker auswirken. Dies lässt sich jedoch zumindest zum Teil auf die geringe Größe der Fraktionen zurückführen.

Im kommenden Jahr soll das bewährte Planspiel in die nächste Runde gehen und nach der Gründung der Rheinland-Pfälzischen Technischen Universität (RPTU) offen für Studierende beider Standorte sein.