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Unsere Exkursion nach Paris (01.07-04.07.2022)

Mit vollen Koffern und Vorfreude traten wir am Freitag, den 1. Juli unsere Reise in die „Hauptstadt des 19. Jahrhunderts“ an, die Prof. Schuhen als krönenden Abschluss für die Teilnehmenden des Masterseminars zur literarischen Inszenierung von Paris organisiert hatte. Das erste Ziel war die gotische Kathedrale Notre-Dame, die nicht nur ein architektonisches Highlight im Stadtpanorama ist, sondern uns vor allem aus literaturwissenschaftlicher Perspektive interessierte. So hat uns Victoria Danzer auf eine Reise in das spätmittelalterlich anmutende Epos von Victor Hugo (1831) mitgenommen und insbesondere die Bedeutung der titelgebenden Kathedrale anhand ausgewählter Textabschnitte herausgestellt. Anschließend besuchten wir das Viertel Saint-Germain-des-Prés, das zu verschiedenen Zeitpunkten des 20. Jahrhunderts eine Hochburg der Dichter und Denker gewesen ist. Angelina Schüller nahm uns mit in die berühmten ‚Cafés der Existentialisten‘, indem sie philosophische Probleme und Intellektuellen-Historiographie miteinander verknüpfte. Zu späterer Stunde konnten wir uns nach 20 zu Fuß zurückgelegten Kilometern alle davon überzeugen, was es bedeutet, das Sein in Gestalt des Konsums eines (Apérol) Spritz zu vollziehen – Exkursionen eignen sich, das liegt auf der Hand, bestens dazu, Theorie und Praxis miteinander zu verzahnen. Den letzten Programmpunkt an unserem Anreisetag bildete Tilman Schmidts Referat über Émile Zolas Au bonheur des dames (1884). Der Referent entführte uns in die süchtig machende, rauschhafte Welt des frühen Kapitalismus, für die das Kaufhaus Bon Marché seinerzeit Pate gestanden hatte und das wir selbstverständlich aufgesucht haben. Nicht nur die hochpreisigen Produkte, sondern ebenfalls die eleganten Rollteppen im Art-Déco-Stil in diesem ,Tempel der Moderne‘ faszinierten uns. 

 

Den Auftakt des zweiten Exkursionstages bildete der Vortrag über die Pariser Stadtgeschichte von Kristina Zimmer und Chiara Schmitt. Neben den Revolutionsereignissen stellte die Haussmannisierung in den 1850er Jahren einen Schwerpunkt ihrer Ausführungen dar, die, wie wir abends sehen sollten, von dem damaligen Zeitzeugen Baudelaire eindrücklich eingefangen wurde. Nach diesem Input besuchten wir gut gelaunt das Musée Carnavalet, in dem über 600.000 Alltagsgegenstände und Kunstwerke aus der langen Geschichte der französischen Hauptstadt ausgestellt worden waren. Zu den Highlights zählten sicherlich Voltaires Schreibtischstuhl sowie Prousts Schlaf- und Arbeitszimmer, das insbesondere die Proustianer aus Herrn Schuhens Seminar aus dem vergangenen Wintersemester anzog. Nach einer willkommenen Stärkung zur Mittagszeit führte uns unser Weg über die Grands Boulevards zum Parc Monceau. Während sich viele Franzosen und Touristen zu einem Picknick niederließen, erarbeitete Elisa Späth anschaulich und detailliert mit uns Baudelaires moderne Großstadtlyrik, die wir anhand der Analyse von ,Le Cygne‘ gemeinsam nachvollziehen konnten. Anschließend flanierten wir auf den Spuren Baudelaires durch die Menschenmassen von Paris. Zu einem gemeinsamen Abendsnack ließen wir uns vor der Tour Eiffel nieder und ließen den Abend mit allerlei Kaltgetränken und belegten Baguettes vor spektakulärer Kulisse ausklingen. 

 

Am nächsten Morgen stand als erstes der Besuch des Musée d’Orsay auf dem Programm. Für die lange Wartezeit wurden wir mehr als entschädigt. Jonas Parisi erläuterte ausführlich und mit Verve die Geschichte und Ästhetik der künstlerischen Strömung des Impressionismus und erinnerte gleichzeitig daran, dass zeitliches Erleben nicht nur in der Kunst subjektiv ist. Vor den Gemälden der Meister der Plein-air-Malerei konnten wir dank seiner Erklärungen nachvollziehen, was diese Kunstrichtung so besonders macht. In Montmartre angekommen, entdeckten wir nicht nur das berüchtigte Viertel der Pariser Bohème, sondern auch die fabelhafte Welt der Amélie, in die uns Vanessa Barisch mit Detailfreude entführte. Das Café des deux Moulins zu betreten, in dem der Film gedreht wurde, zauberte den Fans von Amélie ein verträumtes Lächeln ins Gesicht. Frisch gestärkt suchten wir anschließend den Parc des Buttes-Chaumont auf, einen von Napoléon III errichteten Erholungsort, der vorwiegend von Einheimischen des Pariser Nordens zum Sonnen, Spielen und Joggen genutzt wird. Dort widmete Moritz Heß sich der Vernon Subutex-Triologie von Virginie Despentes. Auf Französisch bot er einen fundierten Einblick in die ‚lokale Abstiegsreise‘ des Titelhelden: Im Fokus standen die utopischen Elemente, die Despentes in die Schilderungen des Parks einbindet. Lachend wurden die vielfachen Spoiler zur Kenntnis genommen, die diejenigen äußerten, die die Romane bereits verschlungen hatten. Eine queere Sambashow vor der Parkkneipe RosaBonheur verunmöglichte zwar den Konsum eines leckeren Kaltgetränks, rundete jedoch das Programm dieses Tages rhythmisch passend ab. Ausklingen ließen wir dann den Abend am Canal Saint-Martin.

 

Ausgeschlafen fuhren wir am nächsten Morgen mit der Métro zum Friedhof Père Lachaise, der nicht nur letzte Ruhestätte berühmter Stadtbewohner/innen und Touristenmagnet ist, sondern auch Einzug in die Literatur gefunden hat. AydinGünay referierte sowohl Geschichte als auch literarische Inszenierung in Balzacs Père Goriot (1834/1835). Nachdem wir den herrlichen Ausblick über Eugène de Rastignacs Paris, der auch von Despentes, wie wir erfahren konnten, ironisch aktualisiert wird, genossen hatten, verließen wir den Friedhof, jedoch nicht ohne die berühmtesten Gräber kurz besucht zu haben. Dazu zählte auch die letzte Ruhestätte von Pierre Bourdieu.

 

Unsere Koffer mit frischem Lesestoff und unsere Herzen mit den vielfältigen Eindrücken unserer Reise gefüllt, traten wir abends den Rückweg nach Landau an. Übrigens: Die Frage danach, wann die Netflix-Serie Les Impressionistes – unter der Regie der Studierenden aus Landau – erscheinen wird, bleibt wohl noch eine kurze Zeit unbeantwortet…