Landauer Akademiegespräche 2022: Auf Leben und Tod - Extremfälle der Politik

"Tödliche Grenzen?" Flüchtlings- und Migrationspolitik, 21. Juni 2022

Der Druck auf Europas Grenzen wächst. Bilder von Flüchtlingslagern als Dauereinrichtung in Griechenland, von Rettungsaktionen, von Ertrinkenden im Mittelmeer sowie von verzweifelten Menschen an den Grenzen der baltischen Staaten und Polens werden zur Nachrichtenroutine. Weitgehend unsichtbar bleiben die Brutalitäten auf den Fluchtrouten sowie in den Flüchtlingslagern im Mittleren Osten, in der Sahel-Zone und in Libyen.

Während Menschen an den Grenzen sterben, schottet sich Europa ab, errichtet Grenzzäune und entwickelt immer raffiniertere Methoden der Grenzsicherung – nicht gegen militärische Gegner, sondern gegen Flüchtlinge und Migrant*innen. Ziel ist es, unkontrollierte Migration zu verhindern. Dürfen wir es, um dieses Zieles Willen in Kauf nehmen, dass Menschen sterben oder fundamentaler Rechte beraubt werden? Gibt es Alternativen zur derzeitigen Flüchtlings- und Migrationspolitik? Wie lässt sich humanitäre Verantwortung mit einer nachhaltigen Strategie verbinden, die sowohl den Rechten von Flüchtlingen als auch den Interessen Europas Rechnung trägt?

Gäste:

Prof. Dr. Herfried Münkler, Politikwissenschaftler, Humboldt-Universität zu Berlin

Prof. Dr. Daniele Garrone, Präsident des Bundes der Evangelischen Kirchen in Italien

Die Aufzeichnung dieses Akademiegesprächs finden Sie auf Youtube.

"Sterben für Deutschland?" Beteiligung an Militäreinsätzen, 12. Mai 2022

Internationale Einsätze von Bundeswehr und Polizei gehören inzwischen auch in Deutschland zum Instrumentarium der Krisen-bewältigung. Bündnispartner nehmen Deutschland in die Pflicht. Das Bewusstsein für globale Zusammenhänge wächst. Sprichwörtlich wurde die Formulierung des damaligen deutschen Verteidigungsministers Peter Struck aus dem Jahr 2004: »Unsere Sicherheit wird auch am Hindukusch verteidigt.«

Der Anspruch Deutschlands, eine auf Interessenausgleich, Diplomatie und die Wahrung humanitärer Grundsätze bedachte Friedensmacht zu sein, wirft Fragen auf. Wie lässt es sich politisch und moralisch rechtfertigen, dass bei Militäreinsätzen wissentlich Menschenleben aufs Spiel gesetzt werden? Unter welchen Voraus-setzungen und um welcher Ziele willen dürfen Verantwortungs-träger*innen in Politik und Militär den Tod von Menschen in Kauf nehmen? Rettet es Menschenleben, wenn wir die Spielräume ziviler Konflikt bewältigung und präventiver Friedensarbeit erweitern? Vor dem Hintergrund des Afghanistan-Debakels gewinnen solche Fragen an Dringlichkeit.

Gäste:

Dr. habil. Charlotte Dany, Politikwissenschaftlerin, Friedensakademie Rheinland-Pfalz der Universität Koblenz-Landau

Jan Kuebart, Amtschef Luftfahrt der Bundeswehr in Köln

"Beim Sterben helfen?" Sterbebegleitung und assistierter Suizid, 05. Mai 2022

Über würdevolles Sterben und Selbstbestimmung am Lebensende wird seit langem kontrovers diskutiert. Ist es moralisch legitim, seinem Leben selbst ein Ende zu setzen? Sollte es ein Recht darauf geben, dafür die Hilfe anderer in Anspruch zu nehmen? Welche Voraussetzungen müssten gegeben sein? Umstritten ist vor allem die Frage, ob Ärzt*innen und Sterbehilfevereine unter bestimmten Voraussetzungen Unterstützung beim Suizid anbieten dürfen.

Ein gesetzliches Verbot der »geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung« wurde im Februar 2020 vom Bundesverfassungs-gericht für verfassungswidrig erklärt. Der neue Bundestag steht vor der Aufgabe einer Neuregelung. Der Wunsch, zu sterben, kann unterschiedliche Gründe haben: Angst vor unnötigem Leiden und dem Verlust der eigenen Würde; die Sorge, anderen zur Last zu fallen; psychische Erkrankungen. Missbrauch, etwa eine Ökonomisierung des Sterbens, sollte verhindert werden. Die Alternativen einer guten palliativmedizinischen Versorgung und hospizlicher Begleitung sind bei der Urteilsbildung genauso zu berücksichtigen wie die Freiheit des Einzelnen.

Gäste:

Prof. Dr. Wolfram Henn, Humangenetiker und Medizinethiker, Universität des Saarlandes, Mitglied des Deutschen Ethikrates.

Dr. Petra Sitte MdB, Parlamentarische Geschäftsführerin der Fraktion Die Linke

Dieses Akademiegespräch haben wir aufgezeichnet. Die Aufzeichnung finden Sie auf Youtube.

"Leben schützen um jeden Preis?" – Erfahrungen in der Pandemie, 13. Januar 2022

Covid-19 hat die Welt nach wie vor fest im Griff – insbesondere die Länder, in denen trotz ausreichend verfügbarer Mengen an Impfstoffdosen viele Menschen ungeimpft bleiben. Entscheidungen über Infektionsschutzmaßnahmen sind im ernsten Sinne des Wortes Entscheidungen über Leben und Tod. Sie sind aber auch Entscheidungen über Freiheitsrechte, Entwicklungsmöglichkeiten von Kindern und Jugendlichen, Gendergerechtigkeit, Begleitung von Kranken und Sterbenden und vieles mehr.

Am Anfang der Pandemie war oft zu hören, dass wir alles tun müssen, um Menschenleben zu schützen. Der damalige Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble hat das in einem Interview kritisch kommentiert: "Wenn ich höre, alles andere habe vor dem Schutz von Leben zurückzutreten, dann muss ich sagen: Das ist in dieser Absolutheit nicht richtig. Wenn es überhaupt einen absoluten Wert in unserem Grundgesetz gibt, dann ist das die Würde des Menschen. Die ist unantastbar. Aber sie schließt nicht aus, dass wir sterben müssen." Dürfen wir abwägen? Welche Prinzipien sind unabdingbar? Und hat die Einsicht in die Sterblichkeit des Menschen Auswirkung auf unsere Entscheidungen?

Gäste:

Herbert Mertin, Justizminister des Landes Rheinland-Pfalz

Prof. Dr. Christian Bermes, Professor für Philosophie, Universität Koblenz Landau

Die Aufzeichnung dieses Akademiegesprächs finden Sie auf Youtube.